Wie arbeiten Ingenieure?

Gestern las ich im Magazin Impulse einen Beitrag von Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf, einem der Leuchttürme des deutschen Maschinenbaus. Natürlich betont sie, wie wichtig die Innovationsfähigkeit ist, um im weltweiten Wettbewerb  zu bestehen und welche entscheidende Rolle die Mitarbeiter dabei spielen.

Von der Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter einmal abgesehen, hilft ein optimales Arbeitsumfeld, um die richtigen Produkte zum richtigen Preis und Zeitpunkt liefern zu können. Hier stellt sich die Frage, was die Unternehmen selbst, die Hochschulen, die Berater und die IT Branche für ein optimales Arbeitsumfeld tun? Wissen wir eigentlich genauer, wie das Arbeitsumfeld der Ingenieure aussieht, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen? Dazu gibt es ernüchternd wenig verlässliche Daten und Zahlen.

Bei allem Hype um die jeweils neuesten Technologietrends bedeutet das: Wir rudern einigermaßen blind durch die Gegend, und dem Management in vielen Unternehmen fehlt immer noch die Motivation, um PLM als Strategiethema zu setzen.

Ein Beispiel: In welchem Umfang müssen sich die Teamleiter um das Projektmanagement kümmern? Könnte ein Projektbüro (Project Office) zumindest die Routineaufgaben nicht professioneller erledigen, so dass mehr Zeit für die Entwicklung selbst bleibt?

Im Grunde hat PLM fast nur mit Arbeitsorganisation zu tun. Noch einmal herausfordernder wird es im PLM Umfeld wegen der notwendigen Balance zwischen Kreativität und Management; mehr Organisation hilft also nicht per se. Für CONTACT ist das ein absolut wichtiges Thema. Wir haben deshalb zusammen mit dem VDI und dem Fraunhofer IPK, Berlin eine Studie ins Leben gerufen. Dazu Patrick Müller vom IPK, der die Studie wissenschaftlich begleitet: „Wir fragen nach dem Verhältnis zwischen kreativem und formellem Arbeitsanteil und hinterfragen anhand eines Bewertungsmodells die Kollaborationsfähigkeit im Unternehmen.“

Weitere Informationen zu der Studie und der Link zur begleitenden Online-Umfrage, die aktuell läuft und an der alle „Praktiker“ teilnehmen können, stehen auf der CONTACT Homepage.

Demnächst mehr, wenn die Ergebnisse vorliegen …

PDM/PLM Lösungen: Eine für alle?

Das Posting von Oleg Shilovitsky  PDM. Pre-configured? Painless? hat mich  angeregt, diesen Beitrag zu schreiben. Meinungen, ob es Out-of-the-Box oder auch Turnkey Lösungen geben kann und soll, gibt es mittlerweile zahlreiche. Nur noch nicht von mir (-;

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Ein Begriff wie Out-of-the-Box steht für Standardisierung, und sowohl der Hersteller als der Anwender wird – wenn er bei Verstand ist – nach der Devise verfahren: „So viel Customizing wie nötig, so wenig wie möglich“.

Das Thema ist also in den seltensten Fällen eines für die Farben Schwarz oder Weiß. Jedenfalls kenne ich keine Software selbst für die Textverarbeitung oder was auch immer, bei dem man nicht das Eine oder Andere an seine eigenen Belange anpassen will und kann. Die Frage ist nicht „Ob?“ sondern „In welchem Umfang?“ und vor allem „Wie?“. In jedem Fall haben die Hersteller den Schlüssel in der Hand, ihren Kunden das Leben so einfach wie möglich zu machen, aber auch keine falsche Erwartungshaltung zu wecken.

Wie viel Customizing?

PDM- und PLM-Lösungen sind keine Finanzbuchhaltungs- oder Warenwirtschaftsysteme, deren Verfahren in weiten Teilen durch externe Regularien oder anerkannte Algorithmen bestimmt werden. PDM/PLM soll den Innovationsprozess unterstützen, der von Haus aus eine kreative Angelegenheit ist. Vor allem hier (wo sonst?) werden Unternehmen ihre individuellen und besonderen Fähigkeiten im Wettbewerb beibehalten und ausspielen wollen.

Ein CAD-Datenmanagement wird hoffentlich wenig Anpassung erfordern. Je umfassender jedoch der Innovationsprozess unterstützt werden soll, desto weitreichender werden die gewünschten Anpassungen an individuelle Anforderungen durch den Innovationsprozess des Kunden sein. Vordefinierte „Best Practices“ können einem Unternehmen helfen, aber wenn jedes Unternehmen sich mit Haut und Haaren solchen „Best Practices“ unterordnen würde: Wo bliebe da der Wettbewerbsvorteil?

Wie einfach ist das Customizing?

Wenn man Customizing also nicht wegdefinieren kann, dann soll es bitteschön so einfach und so wartungs- und Release-sicher wie möglich sein. Der Worst Case ist, dass man alles programmieren muss, nur Programmierer die Anpassungen verstehen und pflegen können und dass die Anpassungen beim nächsten Update teuer durchforstet und erneut angepasst werden müssen. Der Best Case sind vordefinierte Stellhebel im System, die es sogar erfahrenen Fachanwendern erlauben, ein System nach ihren Belangen anzupassen. Ein gutes Bespiel sind sogenannte Business Rules, die in weiten Teilen das Systemverhalten beeinflussen, in einer Bibliothek übersichtlich vorgehalten und in einer Form geschrieben werden können, die auch Nicht-Programmierer schnell verstehen und nutzen können.

Falsche Erwartungshaltung?

Welcher Hersteller legt schon gleich den Finger in die Wunde und offenbart seinem potenziellen Kunden über Gebühr, dass individuelle Anforderungen eben auch Geld und Mühe kosten? Wird allerdings ein Projekt an dieser Stelle nicht richtig aufgesetzt, sind Reibung, Zeitverzug und Frustration auf allen Seiten vorprogrammiert. Zaubern kann niemand, und es ist Aufgabe der Profis beim Hersteller oder Berater, den Kunden hier an die Hand zu nehmen. Im Zweifel muss fester gedrückt werden!

Was ist ihre Meinuing: Wann machen Out-of-the-Box Lösungen für den Innovationsprozess Sinn?

Lean Compliance

Regelkonformität in der Produktentwicklung

Vor eine paar Monaten habe ich zu dem Thema Compliance einen Beitrag im Produktdatenjournal veröffentlicht. Das Thema ist „heiß“. So sieht beispielsweise die Ernst & Young Studie „Strategic Business Risk: 2008 – The Top 10 Risks for Global Business“ das Thema Compliance die Liste der zehn wichtigsten Unternehmensrisiken anführen. Versäumen Unternehmen, bestimmte Regeln einzuhalten, kann dies den Ausschluss von bestimmten Märkten und Ausschreibungen bedeuten („No data, no market“) oder durch die Produkthaftung substantielle juristische und finanzielle Folgen nach sich ziehen.

Dass dies mittlerweile sehr konkrete Risiken sind, bemerken wir bei vielen Unternehmen, in denen wir zu tun haben – eindrucksvoll zu sehen, welchen Stellenwert das Thema bekommen hat!

Zwar ist beispielsweise die ISO 9000 ein alter Hut, aber die aktuellen Dokumentations- und Qualitätsmanagementvorschriften  stellen heute deutlich konkretere Anforderungen an die Entwicklungsprozesse. Die Maschinenrichtlinie, FDA Vorschriften, die ISO/TS 16949 usw. lassen dabei zusammengenommen keine Branche verschont.

Fluch oder Segen?

Wie gehen Unternehmen damit um? Die Gefahr ist groß, sich vom Regen unter die Traufe zu stellen, stülpt man abstrakte Compliance-Anforderungen schematisch den eigenen Prozessen über. Wie kennen Beispiele, wo der Entwicklungsprozess sich durch eine Unzahl an Formularen dramatisch verlangsamt hat. Dabei behaupte ich: Viele Compliance-Vorschriften  sind im Kern für die Produktentwicklung ein Segen, weil sie auf eine „Good Manufacturing Practice“ zielen: transparente Prozesse und jederzeit einfach nachvollziehbare Ergebnisse. Ist das „ob“ keine Frage mehr, sollte das „wie“ umso sorgfältiger hinterfragt werden. Segensreich wird das Ganze nur dann, wenn

  • die Vorschriften „richtig“, d.h. passend zu den eigenen Prozessen und so schlank wie möglich interpretiert werden. In vielen Fällen lässt sich das „wie“ aus den Regelwerken oft nicht klar ableiten. Hier sind Unternehmen leider auf sehr dünn gesätes Expertenwissen angewiesen.
  • keine separaten Mechanismen verwendet werden, sondern Quality Gates, Deliverables, das Änderungs- und Konfigurationsmanagement usw. zum Diener zweier Herrn gemacht werden: des eigentlichen PEP und der Compliance-Anforderungen. Selbstredend bieten sich hier PLM Plattformen an …

Mein Fazit: Für Compliance-Berater, die Unternehmen aufzeigen,  wie sie so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können, brechen goldene Zeiten an.