Developer Experience – von intuitiv bis komplex

Es klingt nach einer spannenden Zukunftsvision: Anwender:innen jedes Fachbereichs nutzen vorgefertigte Programmbausteine, um schnell und einfach Simulationen, Optimierungsaufgaben oder Analysen mittels Künstlicher Intelligenz (KI) zu erstellen. Das können dann auch Fachabteilungen umsetzen, deren Mitarbeiter:innen nicht über Kenntnisse in einer höheren Programmiersprache verfügen. Soweit die Idee. Vorab müssen Entwickler:innen diese Programmbausteine natürlich erstellen, damit Fachanwender:innen daraus eine für ihre Anforderung passende Lösung zusammensetzen können.

KI-gestützte Analysen für die Fachabteilung

Gemeinsam mit unseren Partnern forschen wir im Projekt KI-Marktplatz daran, dieser Vision ein Stück näher zu kommen. Namensgebendes Ziel ist es, KI-Anwendungen auf dem Gebiet des Produktentstehungsprozess zu entwickeln und auf einer zentralen Handelsplattform anzubieten. Das Angebot soll zudem Services, wie zum Beispiel Seminare zu ausgewählten KI-Themen oder Auftragsentwicklungen sowie fertige KI-gestützte Apps und Programmblöcke für ganz spezielle Aufgaben umfassen. Die Entwicklung und Wiederverwendung der Apps befinden sich aktuell in der Erprobung. Parallel dazu evaluiert das Projektteam Nutzen und Qualität der Resultate.

Verschiedene Programmierebenen für eine breitere Anwendung

Soweit der Stand der Forschung, aber wie genau unterstützen wir bei CONTACT die Entwicklung wiederverwendbarer Programmbausteine, die Integration von Simulationsmodellen oder KI-gestützter Analysemethoden? Ein Beispiel für den Einsatz in der Praxis findet sich im Bereich der vorausschauenden Wartung (englisch: predictive maintenance). Vorausschauend heißt, dass Wartungszeiträume nicht wie bisher in festen Abständen stattfinden, sondern in Abhängigkeit von Betriebsdaten und Ereignissen an der Maschine oder Anlage berechnet werden. Unsere Plattform Elements for IoT stellt für solche Anwendungsfälle eine Lösung bereit, Betriebsdaten direkt zu analysieren. Dabei speichert der Digitale Zwilling die Daten der jeweiligen Maschine oder Anlage in einem eindeutigen Kontext. Diese lassen sich anhand einer blockbasierten Programmierung direkt abrufen und einfach auswerten. Mit der No-Code-Funktionalität der IoT-Plattform können Fachabteilungen Digitale Zwillinge intuitiv erstellen, automatische Regeln definieren und Ereignisse überwachen sowie Diagramme und Dashboards anlegen – ohne eine Zeile Code zu schreiben.

Darüber hinaus gibt es Anwendungen rund um den Digitalen Zwilling, die mehr Programmier-Know-how erfordern. Hierfür bietet die Plattform Analysten die Möglichkeit, mit einem Jupyter Notebook oder anderen Analysewerkzeug ihre Modelle in einer höheren Programmiersprache selbst zu entwickeln. Vor allem im Bereich des Prototyping ist Python die Sprache der Wahl. Es ist aber auch möglich, mit einer Compiler-basierten Programmiersprache wie C++ zu arbeiten. Eine kontinuierliche Berechnung der Prognosen erfolgt dann über eine Automatisierung der Modelle, die in einer Laufzeitumgebung zur Verfügung stehen. Die Ausführung des Codes erfolgt entweder in der eigenen IT-Infrastruktur oder direkt an der Anlage oder Maschine im Feld (Edge).

Dieses Vorgehen fassen wir unter dem Begriff Low-Code-Entwicklung zusammen, da nur noch der Code für die Entwicklung der Modelle geschrieben wird. Die Datenanbindung erfolgt über den Digitalen Zwilling und geschieht konfigurativ. Das Stück Programm-Code kann dann für verschiedene Anwendungen, wie beispielsweise Digitale Zwillinge innerhalb einer Flotte, als Programmblock wiederverwendet werden.

CONTACT Elements for IoT ist somit offen für Interaktionen auf unterschiedlichen Levels: Von der Verwendung vordefinierter Bausteine (No-Code), über die Möglichkeit, mit selbstgeschriebenem Programm-Code zu interagieren (Low-Code), bis zur Definition eigener Geschäftsobjekte und der Erweiterung der Plattform auf der Basis von Python.

Ist jemand da draußen noch nicht in der Cloud?

Ja, das ist eine ernst gemeinte Frage: Gibt es irgendjemanden, der noch keine Cloud-Dienste nutzt, sei es von seinem Computer zu Hause, am Arbeitsplatz oder direkt von seinem Mobiltelefon aus? Wir alle haben uns so sehr daran gewöhnt, Cloud-Server wie WhatsApp, Facebook oder Dropbox zu nutzen. Und diese Dienste funktionieren, sind sicher und stehen jederzeit zur Verfügung. Wer würde sich schon zu Hause einen eigenen Server für die Datenkommunikation oder den Dateiaustausch einrichten wollen? Selbst am Arbeitsplatz mieten immer mehr Unternehmen Datenaustausch- (Dropbox Enterprise) und Kommunikationsdienste (Slack, MS-Teams). Kurz: Die Nutzung von Cloud-Diensten zu Hause und am Arbeitsplatz wird immer mehr zum Standard.

Also warum nicht die gleiche Art von Datenmanagement-, Dateiaustausch- und Kollaborationsdiensten auch für produktbezogene Daten wie 3D-CAD-Modelle, Stücklisten und Konstruktionsspezifikationen in der Cloud nutzen?

Warum nicht PLM aus der Cloud?

In der Vergangenheit gab es diesbezüglich einige Skepsis, was Netzwerkbandbreite, Leistung und Sicherheit betraf. Aber die Anbieter von Cloud-Lösungen, insbesondere die großen Cloud-Hyperscaler, haben ihre Hausaufgaben gemacht, stellen ausreichend Netzwerkkapazität zur Verfügung und verlegen sogar eigene physische Kabel durch die Ozeane. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und machen Sie den Geschwindigkeitstest bei den AWS Global Accelerators von Amazon (https://speedtest.globalaccelerator.aws/#/).

Auch Sicherheitsbedenken können nicht länger als gültiges Argument dafür gelten, geschäftskritische Anwendungen wie ein PLM-System nicht in der Cloud auszuführen. Unternehmen wie AWS, Azure und Google bieten alles, was man für eine hochsichere, verschlüsselte Kommunikation braucht. Fügen Sie Ihr eigenes virtuelles privates Netzwerk, Single Sign-On Directory Access und Multifaktor-Authentifizierung mit Timeout hinzu, und Sie sind so sicher oder sogar noch sicherer, als Sie es mit Ihrer eigenen Infrastruktur jemals sein könnten.

Cloud PLM von CONTACT Software

So ist es nur folgerichtig, dass auch CONTACT Software seine Lösungen in der Cloud anbietet. Die treibende Idee: Einen größeren Kundenstamm schneller zu erreichen (time to value). Seitdem sind zahlreiche potenzielle und bestehende Kunden aktiv auf uns zugekommen, um unsere Produkte CIM Database PLM, die Projektmanagementlösung Project Office oder die IoT-Plattform CONTACT Elements for IoT in der Cloud zu betreiben.

Die CONTACT Cloud-Solutions bieten Kunden zum einen eine Standard-SaaS-Lösung (Software as a Service – siehe NIST) mit allen PLM-, Projektmanagement- und IoT-Funktionen, die sie auch vor Ort installieren können. Zusätzlich gibt es vordefinierte ERP- Schnittstellen in unserer Technologieplattform sowie CAD-Integrationen basierend auf dem neuen Workspaces Desktop for Web. Für Kunden, die die Anwendung anpassen oder sogar ihre eigenen Lösungen auf dem CONTACT Elements-Framework implementieren möchten, bietet CONTACT eine Enterprise-Edition seiner Plattform in der Cloud an. Diese enthält die gesamte CI/CD-DevOps-Infrastruktur, um lokal zu programmieren, Anpassungen zusammenzuführen, zu testen und auf Test- und Produktionsinstanzen in der Cloud bereitzustellen.

Worauf also warten? Lernen Sie jetzt die Möglichkeiten der CONTACT Cloud kennen.

Der Digitale Zwilling im Zeichen regenerativer Energie

Laut dem Bundesverband der Windenergie (BWE) liegt der Anteil der Windenergie an der deutschen Stromproduktion in diesem Jahr bei 27 Prozent, im Jahr 2020 stellte die Windenergie sogar die wichtigste Energiequelle im deutschen Strommix. Insgesamt sind mehr als 31.000 Anlagen installiert, die im Jahr 2019 89 Millionen Tonnen CO2-Equivalent eingespart haben. Windkraft ist somit eine tragende Säule für die CO2-arme und nachhaltige Energieerzeugung und liefert einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Die weitere Steigerung der Erträge bei gleichzeitiger Reduzierung der Wartungskosten ist deshalb von großer Bedeutung.

Mit smarten Systemen die Effizienz von Windparks steigern

Digitale Zwillinge sind das zentrale Element, um das volle Potenzial der Windkraft auszuschöpfen und die Erträge zu maximieren. Angetrieben von der Vision, ein datenbasiertes Entwicklungswerkzeug für die Windindustrie zu schaffen, startete vor eineinhalb Jahren das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Verbundprojekt WIND IO.

Unter Federführung des Instituts für integrierte Produktentwicklung BIK der Universität Bremen bauen wir hierfür mit mehreren Konsortialpartnern Forschungsanlagen als cyberphysische Systeme auf und rüsten diese mit Sensoren, Elektronik und Rechnern (sogenannte IoT-Gateways) nach. Dies ermöglicht es, alle Betriebsinformationen der realen Anlage digital abzubilden und an einem Digitalen Zwilling zusammenzuführen. Das Betriebsverhalten kann anhand des Digitalen Zwillings simuliert werden, was wiederum Erkenntnisse für weitere Optimierungen an der Windenergieanlage zulässt. Der Digitale Zwilling liefert hierzu nicht nur Informationen über den aktuellen Energieertrag, sondern bietet auch ein umfassendes Gesamtbild über den Zustand jeder einzelnen Anlage.

Verbesserte Montage-, Wartungs- und Instandhaltungsprozesse

Mit den gewonnenen Informationen lassen sich beispielsweise die Wartungs- und Instandhaltungsprozesse optimieren. So machen die Daten den Alterungsprozess von Bauteilen jederzeit transparent und geben bei Überschreitung festgelegter Grenzwerte automatisch Alarm. Der Digitale Zwilling ermittelt anhand der erhobenen Betriebs-, Umgebungs- und Wetterdaten zudem einen günstigen Wartungszeitpunkt der Anlage. Diese sollte idealerweise bei wenig Wind durchgeführt werden, um nicht auf Kosten der Energiegewinnung zu gehen.

Für die Berechnungen kommen hierbei sowohl statistische Methoden als auch Modelle aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz. Diese Methoden helfen auch, den besten Zeitpunkt für den Aufbau einer Windkraftanlage zu bestimmen, da die Montage der Rotorblätter nur bei bestimmten Bedingungen erfolgen kann. Hierfür fließen neben den Wetterdaten zusätzliche Parameter, wie beispielsweise die Schwingung des Turms, in die Berechnungen mit ein.

Digitale Zwillinge für eine nachhaltige Industrie 

Das WIND IO Projekt zeigt anschaulich, welches Potenzial in der Digitalisierung und besonders im Konzept des Digitalen Zwillings steckt. Darüber hinaus können Unternehmen ihre Daten nutzen, um ganze Produktions- und Betriebszyklen zu simulieren. Dies ermöglicht es, den Ressourcenverbrauch zu minimieren, den Energieverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig die Produktionsschritte effektiver aufeinander abzustimmen sowie die Transportwege zu optimieren. Konzepte wie der Digitale Zwilling und datenintensive Analysemethoden sind damit essenziell für eine schonende und effiziente Industrie.

Die Daten eines digitalen Zwillings helfen Unternehmen, die Effizienz energieintensiver Anlagen zu steigern. Das gilt vor allem, wenn zusätzlich KI-Mechanismen zum Einsatz kommen. Welchen Mehrwert diese Kombination für das Energiemanagement in Unternehmen bringt, erläutern Dr. Nicole Göckel und Johann Heinrich im Fachartikel „Mit digitalen Zwillingen zu mehr Ertrag“.