Social PLM?

Der Hype um Social Media hat nicht nur Techies, Nerds und andere Internet-Eingeborene erfasst, sondern praktisch alle Gesellschaftsgruppen in allen Ländern rund um den Globus. Facebook hat demnächst vermutlich eine Milliarde(!) Anwender. Ob man das “Geplapper” bei Facebook, Twitter und Co nun für dummes Zeug hält oder nicht: da ist eine Umwälzung im Kommunikationsverhalten und der Vernetztheit der Menschheit im Gange, deren Ausmaß und Folgen noch niemand richtig begreifen und abschätzen kann.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=rkkUV1dUoiE]

Update: leider ist das Video von Youtube entfernt worden. Auch ein Symptom … sie finden es bei Interesse, wenn Sie nach ” Social Media Revolution” suchen

Sicher ist: ein großer Teil der Menschen, die heute PLM-Anwendungen verwenden, haben Erfahrung mit Sozialen Netzwerken. Und dieser Anteil wird in Zukunft ganz gewiss nicht kleiner.

Was bedeutet das für PLM und Entwicklungsprozesse, die ja ganz sicher auch und vor allem soziale Prozesse sind, in denen Menschen zusammen arbeiten? Zunächst mal wenig, denn natürlich wäre es eine Schnapsidee, die Zusammenarbeit mit Partnern demnächst über Facebook abwickeln zu wollen. Was sich verändert, sind die Erwartungen von Anwendern an die Informationstechnologie, die ihnen am Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Schon lange ist ein einzelner, nicht in das Unternehmensnetz eingebundener Rechner mit Microsoft Office an Bord praktisch sinnlos, denn niemand verwendet seinen Rechner mehr dazu, Informationen zu erfassen, um sie anschließend auszudrucken und in das Rohrpostsystem zu stecken. IT wird in den Unternehmen vor allem für Kommunikation und Zusammenarbeit benutzt.

In den meisten Unternehmen sind die zentralen Anwendungen für Kommunikation und Zusammenarbeit einerseits Email, andererseits große Unternehmensanwendungen wie SCM, CRM, ERP und eben PLM, in denen Informationen zusammengeführt werden, um die wertschöpfenden Prozesse zu unterstützen. Daneben gibt es in vielen Unternehmen bereits Anwendungen, die weniger formal und prozessorientiert sind, indem zum Beispiel in einem unternehmensinternen oder sogar -übergreifenden Netzwerk Wikis, Kalender, Microblogs, leichtgewichtige Plattformen für den Austausch von Dokumenten und so weiter bereitgestellt werden.

Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass gerade in Entwicklungsprozessen die “eigentliche Arbeit” kommunikationsintensiv und informell ist. Zahllose Meetings, Emails, Telefonate und Gespräche in der Kaffeeküche machen das mehr als deutlich. In den “Kommunikationspausen” werden mit Werkzeugen wie CAD Informationen erzeugt, abgestimmt und oft erst als fertiges Ergebnis in die Unternehmensanwendungen gestellt. Selbst dort, wo PLM funktionierendes CAD-Datenmanagement für Teams beinhaltet, werden Entwürfe per Email herumgereicht, weil die PLM-Anwendung zu unflexibel ist, man “noch keine Nummer vergeben will” oder schlicht und ergreifend Angst davor hat, etwas vermeintlich unfertiges in ein “offizielles” System einzustellen (nebenbei bemerkt adressiert Contact Softwares “Workspaces”-Konzept dieses Thema).

In Zukunft werden Anwender von den IT-Systemen an ihrem Arbeitsplatz in dieser Beziehung mehr verlangen, indem Erfahrungen mit “Social Media” auf das Arbeitsumfeld übertragen werden: es ist gut, wenn in einem informelleren Rahmen Informationen in Form von Text, Bildern, CAD-Modellen, Dokumenten, Kommentaren, … ausgetauscht werden können. Dazu gehört, dass dieser Rahmen in weiten Bereichen selbst gestaltet werden kann, indem man wie bei Facebook seine “Freunde” selber wählt, ein Team selbstständig eine Gruppe anlegen kann, man wie bei Twitter selbst entscheidet, welchen Nachrichtenströmen man folgt, und so weiter. Vor allem in räumlich verteilten oder unternehmensübergreifenden Konstellationen ergeben sich auch weitere Vorteile.

Unternehmen, denen es gelingt, diesen Erwartungen gerecht zu werden, die informelle, “soziale” IT mit den etablierten (und notwendigen!) Unternehmensanwendungen wie PLM zu verbinden, werden sich vermutlich darauf freuen dürfen, langfristig die besseren Mitarbeiter und Prozesse zu haben.

Tja, und wie geht nun “Social PLM”? Jedenfalls nicht von allein, und auch nicht auf ein PLM-Systems beschränkt. Alle Unternehmensanwendungen müssen “sozialer” werden. Es wird aber vermutlich nicht reichen, eine Stücklistenposition “liken” zu können, oder eine Kommentierfunktion für CAD-Baugruppen vorzusehen. Wie ich hoffentlich andeuten konnte, sind Unternehmensprozesse die von Kommunikation geprägt sind, per se “sozial” und damit aussichtreiche Kandidaten dafür, “soziale Technik” erfolgreich einsetzen zu können. Wenn das nicht dazu führen soll, dass eine Unzahl an neuen Kommunikationskanälen die Mitarbeiter überfordert und frustriert, muss dazu vorhandene und neue Technik gescheit integriert werden. Das setzt Offenheit und die Orientierung an den bei diesem Thema alles dominierenden Internet-Paradigmen voraus (jedes Ding muss eine URL haben, RSS-Feeds, Integration von Email … um nur einige Stichworte zu nennen). Am wichtigsten ist es aber natürlich, eine offene Kommunikationskultur herzustellen und die Menschen zu ermutigen, mehr von ihrem Wissen preiszugeben und zusammen zu arbeiten.

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