Projektmanagement – Eine Idee, die sich überlebt hat?

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Man mag es schon nicht mehr hören oder lesen: über die Desaster-Projekte in Deutschland wie den Berliner Flughafen oder die Hamburger Elbphilharmonie. Lieferanten von Projektmanagement-Software  sind wahrscheinlich versucht zu sagen: „Mit unserer Software wäre das nicht passiert!“. Wer’s glaubt …

Unbestreitbar hat das Thema Projektmanagement einen Lauf.  Vielleicht geht es Ihnen dabei wie mir: Zuallererst erscheinen einem bei diesem Stichwort Bilder von Gant-Charts vor Augen. Wenn es doch nur so einfach wäre. Bestimmt wurden die beiden genannten Projekte bestens geplant und bestimmt waren die Projektbüros volltapeziert mit Treminplänen. Wenn Menschen Maschinen, Randbedingungen unveränderlich und Ziel vollkommen klar wären, könnte ja auch nichts schiefgehen. Sind sie aber nicht.

Auf Herausforderungen jenseits der Terminplanung weist  Reinhard Wagner in seinem Beitrag Deutschland 2025: Goldene Zeiten für die Projektwirtschaft? im GPM-Blog hin. Besonders interessant finde ich folgende Passage:

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen (z. B. in der automobilen Supply-Chain) wird immer öfter in Projekten organisiert. Projektarbeit wird immer internationaler. So arbeiten z. B. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Forschungsabteilungen von Bosch an Technologien oder Produkten von morgen. Projektarbeit wird 24/7 möglich, d. h. rund um die Uhr und über die gesamte Woche verteilt an mehreren Forschungsstandorten. Projekte finden aber auch vermehrt an den Standorten in den Absatzmärkten statt. So errichtet Audi zum Beispiel gerade eine neue Produktionsstätte in Mexiko… Neben der Überwindung zeitlicher, räumlicher, sprachlicher und kultureller Barrieren heißt das vor allem mit einem unterschiedlichen Verständnis von Projektmanagement umzugehen. Verstehen wir hierzulande darunter vor allem Planung und Kontrolle, so stellen sich Mitarbeiter anderer Länder schnell quer. Sie brauchen mehr Handlungsspielraum und fühlen sich durch allzu viel Kontrolle schnell bevormundet.

Das Stichwort „Handlungspielraum finde ich schön provokant, drücken doch minutiöse Projektpläne das genaue Gegenteil aus.

Mein Fazit: Der Begriff Projektmanagement führt in die Irre, wenn man damit „old school“ vor allem elaborierte Gant Charts und das Denken und Lenken weniger „Manager“ verbindet. Geleitete und nicht gelenkte Zusammenarbeit im eigenen Unternehmen, in internationalen Teams (Mitblogger Michael Wendenburg stößt in ein ähnliches Horn) und mit anderen Unternehmen bei der Lösung komplexer Aufgaben wird immer wichtiger.

 

Wie neue Technolgien alte PLM Geschäftsmodelle zerstören

ID-10073462Wenn es prominente Beispiele für Hype-Themen gibt, dann gehört Cloud unbedingt dazu. Im PLM-Kontext gibt es zwar gute Gründe für gesunde Skepsis von wegen Know-How Schutz, Datenvolumina, Schnittstellen zu Drittsystemen usw. Aber es zeichnen sich auch interessante Perspektiven ab.

Dropbox ist nur ein Beispiel aus der wachsenden Familie der Angebote für Cloud Storage. Interessant zu lesen ist dazu ein Beitrag im MIT Technology Review „Dropbox Offers a Way to Free Data from Mobile Apps“:

“A new feature released with little fanfare last week provides new evidence that the company is working toward that vision. It also pitches the company into more direct competition with Apple. That feature, called the Sync API, allows mobile apps to save data to a user’s Dropbox account so that the app can be synched across multiple devices. If developers embrace the programming interface, using mobile apps might no longer mean leaving your personal files scattered among different devices.”

Das heißt nichts anders, als dass Anwendungen das Speichern von Dokumenten schlicht als Dienst betrachten und nutzen können. Das heißt auch, dass die für Anwender hinderliche Festlegung auf bestimmte Plattformen entfällt:

“The Sync API could also erode some of the restrictions imposed by the competing mobile ‘ecosystems’ of Apple and Google by making it easier to switch between them without leaving any data behind. For example, someone who had been using an image editing app for Apple’s iPad could install the same app on an Android tablet and find the edited photos on the new device.”

Aber machen Unternehmen wie Dassault im Moment nicht genau das Gegenteil: die Daten der Anwender in proprietären Speichern einschließen? Mein (hoffnungsvoller) Verdacht: Die Zeit wird kommen, wo das Speichern von Daten eine Allerweltsdienst sein wird, den Anwendungen über standardisierte Schnittstellen nutzen werden. Und wo die Unternehmen allein anhand Preis, Leistung, Service und Sicherheitsversprechen auswählen können. Das wird auch für PLM Daten, Dokument und Datenbanken gelten und damit dem Paradigma Offenheit eine ganz parktischen und konkreten Aspekt hinzufügen.Warum Anbieter im Gegenteil noch ein zukunftssicheres Geschäftsmodell sehen, ist mir nicht klar.

Dieses „M“, das doch eigentlich viel sein sollte, als heiße Luft…

Das_MDer Begriff [‘mänätschmänt] blickt auf eine langjährige Karriere als inhaltsleere Füllwortmasse in allen Bereichen des Lebens zurück. Im Wesentlichen ist sie dazu da, das Ausatmen bei der Vertonung komplexer Wortgebilde zu erleichtern. Und auch unser aller Lieblingsabkürzung wurde leider nicht davon verschont – wo sie doch mit „P“ und „L“ so einen schmissigen Anfang genommen hat.

Machen wir das Beste draus, wagen wir das Experiment, das „M“ einmal ernst zu nehmen. Was wäre denn die Quintessenz vom „managen“ beim „productlifecyclen“? Kosten im Griff behalten – ja klar, zentral wichtig, aber im Kern die Ägide des Controllings. Termine? Macht das Projektmanagement (hoffentlich). Last but not least: Der Kern des „PL-“ Managements liegt für mich darin, den Reifegrad des Produktes unter Kontrolle zu haben.

Reifegrad hat dabei zwei Perspektiven:

1. Der Grad, in dem ein Produkt das macht, was es soll.

2. Der Grad, in dem das Produkt so hergestellt werden kann, wie man es haben will.

Diese beiden Sichtweisen werden gerne als Produkt- und Prozessreifegrad bezeichnet

Um so einen Reifegrad zu bestimmen oder gar zu steuern, ist es von Vorteil, erst einmal zu beschreiben, wogegen man messen will. Ich hätte dazu noch einen Begriff mit Füllwortende im Angebot: Anforderungsmanagement. Mit dem Vehikel „Anforderung“ beschreibe ich klassisch, was ein Produkt machen soll. Reicht aber nicht! Ich muß auch beschreiben, wie ich ein Produkt herstellen will! Das nennt sich dann „Front-Loading“ und hilft ganz gewaltig, den Zielraum für eine Produktentwicklung zu konkretisieren.

Wie aber das Wort „Entwicklung“ schon sagt, steuere ich hier gegen ein bewegliches Ziel, Produkt und Prozess wachsen weiter, machen manchmal auch einen Schritt rückwärts. Der Reifegrad muß also auch ein Ausdruck dafür sein, wie erfolgreich meine verschiedenen Konzeptalternativen sind bzw. wie weit ich den Trichter möglicher Optionen schon eingeengt habe (letztes Buzzword für heute: Set-Based Engineering).

So ergibt sich ein Korridor von Fakten, gegen den die Produktentwicklung reflektiert werden kann: Hat meine Entwicklung alle Anforderungen im Blick (Abdeckungsgrad)? Kann ich die Anforderungen auch bedienen (Erfüllungsgrad)?

Zum Thema „Abdeckungsgrad“ empfehle ich den Blog-Beitrag von Michael Wendenburg zum Systems Engineering, das ist eine Frage der intelligenten Verdrahtung von Informationen untereinander. Der Erfüllungsgrad wiederum ist eine Frage der Absicherung – und hier wird’s jetzt ein bißchen heterogen…

Absicherung stand lange Zeit synonym für den guten alten Versuch: Hält es noch, wenn man dran rüttelt? Läuft irgendwo Öl ‘raus? Entschuldigung an alle Kollegen aus dem Versuch für die saloppe Formulierung. Was ich damit verdeutlichen will, ist die Krux, daß der Versuchsplan sich in Ermangelung an klar formulierten Anforderungen auch nicht an solchen orientieren kann. Was man im Versuch herausfindet, wird klassischerweise so gut wie möglich gegen einzelne Teile oder Baugruppen dokumentiert und daraus ein (Produkt-) Reifegrad interpretiert.

Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für die Absicherung der anderen Reifegrad-Perspektive. Aber Herstellbarkeitsprüfungen, Verbauuntersuchungen, Try-Outs zur Prozess-Stabilität… müssen eher noch ein härteres Schicksal tragen: Ergebnisse wie „läßt sich nicht mit dem Schrauber erreichen“ können wenigstens noch auf einen Bauraum bezogen werden, aber „zu breit für die Lackierkabine“ ist schon deutlich schlechter aufzulösen. Und es geht ja auch noch weiter: Sind die Logistik-Prozesse reif, klappt die IT-Versorgung für die Produktion und und und …

Nun existiert dazu auch noch eine veritable Parallelwelt: Simulation hat Ihren Platz in den Entwicklungsorganisationen gefunden, sowohl für Produkt-, als auch Prozessthemen. Allerdings ringen viele Beteiligte noch mit der Verdrahtung doch unterschiedlicher Prozesswelten. Typische Rückmeldungen aus der Simulation lauten in etwa „würde halten, wenn Du den Radius etwas kleiner machst“ – und das womöglich in sehr frühen Konzeptphasen, wo es kaum eine ausgegorene Produktstruktur als Referenz gibt.

Spätestens hier wird also der Zusammenhang zwischen Reifegrad und Alternativen besonders deutlich: Messe ich das eine, bewerte ich das andere.

Um managen zu können, brauchen ich ein gemeinsames Raster für Entwicklung und Absicherung, an dem Ergebnisse der sehr unterschiedlichen Aktivitäten gespiegelt werden. Egal ob Simulation oder physische Absicherung, frühe Konzepte oder B-Muster – ich benötige eine vereinheitlichte Aussage über den Reifegrad meiner Ergebnisse. Und nur auf der Ebene von Anforderungen habe ich ein hinreichend abstraktes Vehikel, um so ein Raster darzustellen und alle genannten Fraktionen abzuholen.

Wenn man „Management“ ernst nehmen will, dann sind wir hier – glaube ich – an einer guten Stelle dafür angelangt.