Viel Bauchgefühl, wenig Zahlen

Erfolg muss messbar sein – das gilt auch für den Erfolg von PDM/PLM-Projekten. Sollte man meinen, doch die Realität sieht oft anders aus. Wenn ich bei meinen Gesprächen PDM/PLM-Verantwortliche frage, was die Investitionen in ihre Lösung denn an Nutzeneffekten gebracht haben, bekomme ich in der Regel keine erschöpfende Antwort: Viel Bauchgefühl und wenig belastbare Zahlen. Zum Teil hängt das damit zusammen, dass der Ist-Zustand vor der PDM/PLM-Einführung nie genau erfasst worden ist, so dass man keine Vergleichszahlen hat; zum Teil hat man auf eine eingehende ROI-Betrachtung verzichtet, weil am PDM/PLM-Einsatz ohnehin kein Weg vorbei führte. Wozu sich also die Mühe machen? Dumm ist nur, dass die Unternehmen die Entwicklung von Effektivität und Effizienz der PLM-Prozesse auch nach der Systemeinführung nicht mehr verfolgen und sich dadurch schwertun, das Potential für stetige Prozessverbesserungen zu identifizieren.

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Zugegeben, je komplexer die Prozesse , desto schwieriger ist eine Erfassung verlässlicher Kennzahlen über diese Prozesse. Es gibt direkte Effekte wie die Verkürzung der Suchzeiten, die sich ziemlich einfach dem PDM/PLM-Einsatz zuschreiben lassen, aber eben auch viele indirekte Effekte oder Effekte, die ihre Wirkung im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen und IT-Systemen entfalten. Wie will man zum Beispiel den Nutzenanteil von PDM/PLM gewichten, wenn sich die Auftragsabwicklung spürbar verkürzt hat, weil PDM- und ERP-Systeme besser integriert wurden? Die Tatsache, dass man nie alle Effekte vollständig erfassen wird, spricht aber nicht grundsätzlich gegen eine Kennzahlensystematik. Im Gegenteil, es geht ja – unabhängig von den Nutzeneffekten – auch um eine bessere Transparenz der Prozesse, um die Auswirkungen von Veränderungen beurteilen zu können.

Paradoxerweise sind in vielen Unternehmen nicht mal die direkten Nutzeneffekte transparent, obwohl die Informationen darüber eigentlich im System stecken. Man kriegt sie nur nicht wieder raus – jedenfalls nicht in einer statistisch verwertbaren Form. Wer wann welchen Änderungsantrag gestellt hat und wann er freigegebenen wurde, ist dem System eigentlich bekannt. Mangels entsprechender Werkzeuge kann aber keiner sagen, wie sich die durchschnittliche Durchlaufzeit der Änderungsanträge im letzten Jahr entwickelt hat. Was die Unternehmen dafür benötigen ist ein PLM-integriertes Kennzahlenmanagement, mit dem sie bestimmte Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators) berechnen, mit Zielwerten vergleichen und ihre Historie für Trendanalysen aufzeichnen können.

Welche Kennzahlen spiegeln die Performance einer PDM/PLM-Lösung am besten wieder? Das ist eine gute Frage, die sich noch nicht abschließend beantworten lässt. Der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer VDMA entwickelt im Rahmen der PIPE-Initiative (Prozesss-Indikatoren für Product Engineering) zusammen mit Contact Software und anderen namhaften PLM-Herstellern gerade eine einheitliches Modell mit entsprechenden Performance-Indikatoren, die eine branchenübergreifend einheitliche Bewertung von Engineering-Prozessen ermöglichen soll. Damit wird es auch erstmals möglich sein, die Leistungsfähigkeit von PDM/PLM-Lösungen nach einheitlichen Kriterien zu bewerten.

Effizienz und Effektivität der Produktentwicklung sind in einem Land, das von der Umsetzung innovativer Ideen lebt, entscheidend für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Im Unterschied zur Produktion, in der alle möglichen Kennzahlen ausgewertet werden, ist die Produktentwicklung jedoch oft eine Gleichung mit vielen Unbekannten: Wo stehen wir aktuell, wo wollen wir hin, sind wir auf dem richtigen Weg und wie weit sind wir schon voran gekommen? Solche Fragen lassen sich ohne verlässliche Kennzahlen nicht beantworten lassen. Ein Kennzahlenmanagement, das direkt den PDM-Datenbestand nutzt, ist deshalb der Schlüssel zu einer besseren Steuerungsfähigkeit der Produktentwicklung.