Innovationen managen – Flops vermeiden

Der Erfolg hat viele (Mütter und) Väter, der Misserfolg ist immer ein Waisenkind, lautet eine englische Redewendung. Leider ist sie missverständlich. Der Misserfolg hat nämlich mindestens ebenso viele Väter wie der Erfolg, nur dass sie normalerweise den Vaterschaftstest verweigern. Das gilt auch für das Scheitern von Produktinnovationen, das viele Ursachen haben kann. Tina Müller, die neue Marketing-Chefin von Opel, und Marketing-Professor Hans-Willi Schroiff haben die wichtigsten Gründe in einem Buch (Warum Produkte floppen) zusammengetragen.

Ein neues Buch zu einem altbekannten Problem zu schreiben ist keine besonders innovative Idee. Aber wenn es stimmt, dass 60 bis 80 Prozent der neu eingeführten Produkte floppen, wie Müller in einem Interview behauptet (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/opel-managerin-mueller-innovation-ist-jeden-tag/8953402.html), dann ist das Thema zweifellos relevant. Und Relevanz für die Zielgruppe ist neben der Einzigartigkeit ein wesentliches Kriterium für erfolgreiche Produkte oder Innovationen. Wobei von erfolgreichen Innovationen zu sprechen eigentlich ein Pleonasmus ist: Nach Joseph Schumpeter ist Innovation nämlich nicht die Erfindung, sondern die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung. Was sich nicht durchsetzt bzw. keinen Erfolg hat, ist also keine Innovation.

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Paradoxerweise ist der Erfolg (von Innovationen) zugleich ein Floprisiko, weil sich erfolgreiche Organisationen scheuen, Dinge anders zu machen, während sich die Welt um sie verändert. Deshalb laufen gerade erfolgreiche Unternehmen laut Müller Gefahr, den Zug zu verpassen. Sie ruhen sich gewissermaßen auf ihren innovativen Lorbeeren aus und versuchen sie, durch schrittweise Neuerungen frisch zu halten, statt den nächsten Innovationssprung zu wagen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: Marktführer Nokia hat den Trend zum Smartphone regelrecht verschlafen und Sony war mit dem Walkman so erfolgreich, dass das Unternehmen das Potential des MP3-Formats für die Geschäftsmodellinnovation übersehen hat.

Für die konstant hohen Flopraten gibt – wie gesagt – viele Ursachen. Die meisten Fehler werden schon in der Konzeptphase gemacht, wie Müller sagt, aber selbst ein relevantes und einzigartiges Produkt kann scheitern, wenn es nicht mit der Markenstrategie harmoniert oder das Unternehmen die falsche Vertriebs- und Marketingstrategie wählt. Und dann gibt es Produkte, die im Test begeistern, und trotzdem im Markt floppen, weil die Konsumenten Kaufentscheidungen nicht unbedingt rational treffen. Deshalb sind die Unternehmen ja so daran interessiert, unsere Big Data-Spuren in Internet und Sozialen Medien auszuwerten, um uns auf die Schliche zu kommen.

Eine Frage bzw. die Antworten fand ich aus PLM-Sicht besonders interessant, weshalb ich sie hier wörtlich zitiere. Was wichtiger sei, die Anzahl der Produktideen oder die Qualität des Innovationsmanagements?

Müller: Unternehmen brauchen am Anfang des Innovationsprozesses, bevor sie über das Konzept sprechen, rund 1000 Ideen, damit überhaupt irgendwas dabei ist, was sich lohnt weiterzuentwickeln. Wenn diese erste Stufe, die mehr auf Quantität geht, durchlaufen ist, dann muss es in einem recht engen und strukturierten Innovationsprozess weitergehen, weil sonst noch viel mehr Fehler gemacht werden. Das heißt, die Qualität des Innovationsmanagements ist genau so wichtig wie die Breite der Ideen im Anfangsstadium.

Schroiff: […] ohne diese 1000 Ideen hätte man nicht die zehn, die am Ende des Tags das Zünglein an der Waage für den Erfolg sind. Es ist ganz wichtig, dass die Leute nicht denken, ich muss jetzt mal zehn gute Ideen bekommen. Nein. Sie brauchen diese 1000 Ideen und die müssen immer weiter geschmiedet werden. Es ist nicht richtig, einmal im Jahr eine Woche über Innovationen nachzudenken. Innovation ist jeden Tag. Wenn man das nicht lebt und als Kultur verankert, wird es schwierig mit kontinuierlichen Innovationen. Deshalb braucht man einen ständigen Nachstrom an Ideen, um sagen zu können, das machen wir nicht. (Quelle: Handelsblatt online, 28.10.2013)

Das heißt mit anderen Worten, dass die Unternehmen einerseits einen konstanten Strom von Ideen produzieren müssen, was in erster Linie eine Frage der Innovationskultur ist. Auf der anderen Seite müssen sie die Tausend Ideen erfassen, mit Blick auf ihre Innovationsstrategie bewerten und die richtigen zehn herausfiltern, um sie in (hoffentlich erfolgreiche) Innovationen umzusetzen. Dabei kann PLM wertvolle Hilfe leisten, vorausgesetzt die Lösung unterstützt den Innovationsprozess von der strategischen Produktplanung über die Konzeption bis zur Abwicklung von Entwicklungsprojekten durch ein leistungsfähiges Innovationsmanagement.

Nachweispflicht mit Nebenwirkungen

“Show me the evidence” ist einer der Lieblingssätze, mit dem die Inspektoren der US Food & Drug Administration ihre Gesprächspartner in der Qualitätssicherung zum Schwitzen bringen, wenn sie Unternehmen der Medizintechnik-, Pharma- oder Lebensmittelindustrie visitieren. Im Unterschied zu unseren staatlich anerkannten Kontrolleuren, die sich ihre Aufsichtsdienste bezahlen lassen, ist die FDA eine vom amerikanischen Steuerzahler finanzierte US-Behörde mit Polizeigewalt. In den USA dürfen die Inspektoren sogar Waffen tragen – entsprechend selbstbewusst treten sie auf.

Während es bei der Zulassung von Pharmaka oder medizintechnischen Geräte vorrangig um die Produkteigenschaften geht, prüfen die Inspektoren von FDA und anderen Aufsichtsbehörden bei den Besuchen vor Ort, ob die Entwicklungs- und Fertigungsprozesse den common Good Manufacturing Practices (cGMP) entsprechen und keinen negativen Einfluss auf die Produktsicherheit haben können. Dabei verlassen sie sich nicht auf den Augenschein, sondern verlangen die Vorlage von Dokumenten. Was nicht aufgezeichnet ist kann auch nicht als Grundlage für die Auditierung dienen.

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Drei Trends führen dazu, dass das Volumen der vorzulegenden Dokumente in den letzten Jahren geradezu explodiert ist: Erstens werden die Produkte immer komplexer, gerade was ihre Schnittstellen zu anderen Systemen anbelangt; zweitens werden die Anforderungen der Aufsichtsbehörden von Jahr zu Jahr strenger. Und drittens wird die Normenlandschaft dadurch umfangreicher, dass Emerging Countries wie China anfangen, ihre eigenen Normen zu entwickeln, an die sich die Hersteller erst mal gewöhnen müssen.

Kürzlich war ich bei einem renommierten Medizintechnikhersteller, der vor wenigen Monaten eine neue Generation von Videoendoskopen vorgestellt hat. Die Dokumentation umfasst 35.000 Dateien oder 134 Papierordner – mehr als das Zehnfache dessen was noch für die Vorgängergeneration an Dokumenten vorgehalten werden musste. Wenn man sich vorstellt, dass die Dokumente bislang in einer filebasierten Ordnerstruktur verwaltet wurden, kann man sich den Aufwand für die Aufbereitung und Bereitstellung der Dokumentation leicht ausmalen. Die Ingeneure in Forschung & Entwicklung verbringen mehr Zeit damit, Dokumente zu erzeugen und zu pflegen als mit ihrer eigentlichen Entwicklungsarbeit.

Eine der größten Herausforderungen für das Unternehmen war und ist das Änderungsmanagement, da Artikelstammdaten, CAD-Dateien und Dokumente noch nicht alle miteinander verknüpft sind. Bei der Änderung eines Bauteils herauszufinden, in welchen Produkten es überall verbaut ist, ließ sich über das PDM- oder ERP-System noch bewerkstelligen. Aber zu wissen, welche Dokumente davon betroffen sind und vielleicht geändert werden müssen, war eine Detektivarbeit, die sehr viel Zeit und den Gehirnschmalz von erfahrenen Ingenieuren erforderte.

Die Integration von CAD-Daten- und Dokumentenmanagement in einer einheitlichen PLM-Lösung ist deshalb das O und O für eine effizientere Aufbereitung und Bereitstellung der Dokumentation und ihre Aktualisierung bei Änderungen. Nur wenn die Dokumente sauber klassifiziert und mit den Artikeln bzw. einer bestimmten Version verknüpft werden können, ist es möglich, sie zu bestimmten Zeitpunkten kontrolliert zusammenzuführen und bestimmte Reports zu generieren, beispielsweise für ein Audit.

Ein PLM-gestütztes Dokumentenmanagement ist das richtige Rezept für die Erfüllung der Nachweispflichten und die Optimierung anderer PLM-Prozesse, beispielsweise des Change-Managements. Es zu implementieren ist mit Aufwand verbunden – der betreffende Medizintechnikhersteller hat allein 220 verschiedene Dokumentenarten spezifiziert und in Vorlagen abgebildet. Der Aufwand verspricht allerdings riesige Rationalisierungseffekte wenn es gelingt, die erforderliche Dokumentation gewissermaßen auf Knopfdruck auszugeben.

Doch Vorsicht – Compliance ist rezeptpflichtig. Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren PLM-Hersteller.

Neue Servicekonzepte braucht die Bahn

In den letzten Wochen habe ich in Deutschland Urlaub gemacht – jawohl, das kann man, ohne vom Wetter reden zu müssen, was prächtig war. Es gibt ja auch spannendere Themen: Alle reden von der Deutschen Bahn, die sich zum Sinnbild für die neuen deutschen Untugenden entwickelt: Fortwährende Unpünktlichkeit, technische Unzuverlässigkeit und mangelnde Servicefreundlichkeit. Gut, letztere ist keine besonders neue Untugend und auch keine Erfindung der Bahn.

Ich war viel mit dem Zug unterwegs, mit Kindern und großem Gepäck, was der Urlaubslaune nicht immer zuträglich war, obwohl wir das Stellwerk Mainz weiträumig umfuhren. Verspätungen, verpasste Anschlusszüge, Zugausfälle – das ganze Programm an Foltermaßnahmen, mit dem die Bahn ihre Kunden tagtäglich malträtiert. Und weit und breit kein Kundendienstmitarbeiter zu sehen, der einem erklärt, wie man wenigstens das zum Fenster rausgeworfene Geld für die Sitzplatzreservierung wieder bekommt. Einziger Bahnbonuspunkt: Kinder in Begleitung der Eltern fahren auf den meisten Strecken umsonst, was ich nett von der Bahn finde. Erfreulich auch, dass die meisten Menschen mit undeutscher Gelassenheit auf die Pannen bei der Bahn reagieren. Nur ausländische Urlauber verstehen die Welt nicht mehr.

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Während sich die Personalsituation  im Stellwerk Mainz nach Sommerurlaub und Sommergrippe wieder normalisieren dürfte, geben die vielen technischen Pannen zu denken, besonders wenn man mit 300 Stundenkilometern über die Schnellbahntrasse zwischen Köln und Mannheim saust. Man hat nicht gerade den Eindruck, dass die Bahn ein proaktives Servicekonzept verfolgt, das heißt Servicefälle durch vorbeugende Wartungsmaßnahmen zu vermeiden versucht. Sie reagiert auf Störungen, und das meistens zu spät.

Vielleicht sollten sich die Bahn und ihre Systemlieferanten mal ein Beispiel an der Japanische Staatsbahn nehmen, die bei ihren Zügen ein Konzept der Nullstillstandswartung verfolgt. Das bedeutet, dass die Züge im laufenden Betrieb gewartet werden und sich natürlich auch warten lassen müssen. Die konsequente Auswertung der Servicehistorie und ein permanentes Monitoring von Loks und Zügen schützt die japanischen Wartungstechniker vor unliebsamen Überraschungen – und das mit Erfolg: Verspätungen von mehr als 30 Minuten kommen bei Japan Railways so selten vor, dass sie Thema in den Nachrichten sind. Davon wagt man in Deutschland nicht mal zu träumen.

Softwaretechnisch sind solche proaktiven Servicekonzepte, die nicht nur die Bahn gut zu Gesicht stünden, dank der Vernetzung intelligenter Systeme über das Internet der Dinge viel leichter umsetzbar als noch vor ein paar Jahren. Voraussetzung dafür ist aber auch die Optimierung der Serviceprozesse, die in vielen Unternehmen immer noch recht hemdsärmelig organisiert sind. Sie betrachten den Service als notweniges Übel, statt ihn als Quelle zusätzlicher Einnahmen zu begreifen, was natürlich auch bedeuten würde, dass sie die Serviceleistungen zusammen mit den Produkten entwickeln müssten. Davon ist man jedoch noch weit entfernt: Produktentwicklung und Service führen in den meisten Unternehmen ein ausgeprägtes Eigenleben.

Die zunehmende Bedeutung des Serviceangebots für den Markterfolg der Produkte spricht dafür, Entwicklungs- und Serviceprozesse enger zu verzahnen. Grundlage dafür ist ein integriertes Produkt- und Service-Lifecycle-Management, das es beispielsweise erlaubt, Informationen über gehäuft auftretende Servicefälle in Form von Änderungen in die laufende Entwicklung einzusteuern. Für die PDM/PLM-Hersteller bedeutet das, dass sie ihre Lösungen entweder um zusätzliche Werkzeuge ergänzen oder aber Schnittstellen zu gängigen Serviceanwendungen schaffen müssen. Das werden sie allerdings nur tun, wenn ihre Kunden entscheiden, Entwicklung und Service endlich IT-technisch zu verheiraten.