PLM-Standard – Von Formaten zu Frameworks

Ich möchte über das heutige PLM und Standards reden. In meinen Augen ist die Sache mit den Standards zu kompliziert und verwirrend. Die Anzahl der Artikel über CAD-Dateien, Standards und best practices ist unendlich. In vielen Situationen machen die Leute ein Gleichheitszeichen zwischen Offenheit und Standards. Die CAD-/PLM-Branche verzeichnet eine lange Geschichte von Kriegen um Standards.

Der Status Quo

Nach den Materialien, die von LongView Advisors auf dem CIC (Collaboration and Interoperability Congress) präsentiert wurden, reflektiert das folgende Bild die Verteilung der wichtigsten CAD-Plattformen auf dem Markt.

Den Informationen aus derselben Quelle zufolge hat die Industrie im Jahre 2010 mit etwa 52 CAD-Standards gearbeitet.  Der absolute Spitzenreiter ist STEP (32% Anwendung für CAD-Datenaustausch). Andere für denselben Zweck verwendete Formate sind CATIA V5 (21%), SolidWorks (15%) und NX (6%). Kürzlich habe ich eine sehr gute Veröffentlichung über CAD-Dateiformate gefunden, die von isicad.ru erstellt wurde. Verwenden Sie den folgenden Link, um sie in Englisch zu lesen (Das Original wurde in Russland veröffentlicht. Danke an Google Translate  für die automatische Übersetzungsfunktion). Wenn ich über PLM-orientierte Standards nachdenke, ist die Situation komplizierter.  Aus meiner Sicht sind STEP und PLCS die bemerkenswerten Standards. Verkäufer sprechen über die „best practices der Industrie“, die einen gebräuchlichen Weg für die Implementierung eines PLM-Systems darstellen.

Formate – ein alter Weg?

Die meisten Leute werden an „Formate“ denken, wenn Sie mit ihnen über CAD-/PLM-Standards reden. Normalerweise ist das ein Dateiformat, das von CAD-Systemen für das Speichern und Abrufen von Daten verwendet wird. CAD-Datenaustauschformate zielen in erster Linie auf die Fähigkeit eines Systems ab, Informationen mit anderen CAD- oder nicht-CAD-Systemen austauschen zu können. Die Notwendigkeit, Daten auszutauschen, war nicht auf CAD-Systeme begrenzt. Kürzlich haben PDM- und PLM-Systeme mehrere Mechanismen entwickelt, um Daten zu verschiedenen Zwecken auszutauschen.

Frameworks – ein anderer Ansatz?

Als ich mehr über PLM-Standards nachdachte, kam mir die Idee der Weiterentwicklung von Standards als Framework. Das sehe ich als das Gegenteil von Dateiformaten an. Sie fragen mich, was der Unterschied ist? Die meisten der Formate wurden von Softwareverkäufern oder angeschlossenen Parteien erfunden. Formate stellen die Notwendigkeit des Speicherns und Austauschs von Daten dar. Ich sehe das jedoch nicht als das vorrangige Ziel des PLM-Standardisierungsprozesses an. PLM ist ein Ergebnis der Unternehmensimplementierung und ich betrachte es als etwas ganz anders als ein einzelnes Tool. Beim PLM-Standard geht es allein um die Kommunikation zwischen verschiedenen Leuten in der Organisation. Der Kommunikationsrahmen (Status/Schranken, Entscheidungspunkte etc.) sind viel wichtiger als eine Fähigkeit, eine CAD-Datei von einem Format in das andere zu konvertieren. Der Fokus des PLM-Frameworks ist es, eine Übergabe zwischen den verschiedenen Abteilungen und Leuten in der Organisation zu gewährleisten.

Standardisierung und Uniformität

Ich fand, dass die meisten Leute diese zwei Begriffe  – Standardisierung und Uniformität – durcheinander bringen. Der größte Fehler ist es, Standards als etwas Dauerhaftes anzusehen. Was ich an Standards interessant fand ist, dass erfolgreiche Standards nur jene sind, die sich zusammen mit ihrer Anwendung entwickeln. Wenn sie in der Organisation entsprechend dargestellt werden, können Standards die Leute dazu ermutigen, flexible und einfach zu übernehmende Standardisierungsschemen zu entwickeln.

Was ist meine Schlussfolgerung? PLM muss sich von den Kriegen um Dateiformate weg an eine Stelle bewegen, wo der Kommunikations- und Prozessrahmen verwendet werden kann, um Datenübergabe und Entscheidungsfindung zu kontrollieren. Das wird zu einem neuen Weg bei der Entwicklung von Standards werden. Verwendet von mehreren Unternehmensframeworks kann sich das zu einem Mechanismus entwickeln, um die PLM-Unternehmensroadmap zu realisieren. Ich sehe jedoch keine Prozessschablone, die zu den Bedürfnissen aller Unternehmen passt. Über flexible Kommunikations- und Prozessmanagementtools zu verfügen ist absolut wichtig, um das PLM-Framework zu einem Erfolg zu machen. Nur meine Gedanken…

Beste Grüße, Oleg

(Hinweis: Dies ist eine Übersetzung  des Beitrags „PLM Standard: From Formats to Frameworks“ aus Oleg Shilovitskys Blog Beyond PLM. Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Ohne Gewähr für die Richtigkeit der Übersetzung.)

 

Lean Compliance

Regelkonformität in der Produktentwicklung

Vor eine paar Monaten habe ich zu dem Thema Compliance einen Beitrag im Produktdatenjournal veröffentlicht. Das Thema ist „heiß“. So sieht beispielsweise die Ernst & Young Studie „Strategic Business Risk: 2008 – The Top 10 Risks for Global Business“ das Thema Compliance die Liste der zehn wichtigsten Unternehmensrisiken anführen. Versäumen Unternehmen, bestimmte Regeln einzuhalten, kann dies den Ausschluss von bestimmten Märkten und Ausschreibungen bedeuten („No data, no market“) oder durch die Produkthaftung substantielle juristische und finanzielle Folgen nach sich ziehen.

Dass dies mittlerweile sehr konkrete Risiken sind, bemerken wir bei vielen Unternehmen, in denen wir zu tun haben – eindrucksvoll zu sehen, welchen Stellenwert das Thema bekommen hat!

Zwar ist beispielsweise die ISO 9000 ein alter Hut, aber die aktuellen Dokumentations- und Qualitätsmanagementvorschriften  stellen heute deutlich konkretere Anforderungen an die Entwicklungsprozesse. Die Maschinenrichtlinie, FDA Vorschriften, die ISO/TS 16949 usw. lassen dabei zusammengenommen keine Branche verschont.

Fluch oder Segen?

Wie gehen Unternehmen damit um? Die Gefahr ist groß, sich vom Regen unter die Traufe zu stellen, stülpt man abstrakte Compliance-Anforderungen schematisch den eigenen Prozessen über. Wie kennen Beispiele, wo der Entwicklungsprozess sich durch eine Unzahl an Formularen dramatisch verlangsamt hat. Dabei behaupte ich: Viele Compliance-Vorschriften  sind im Kern für die Produktentwicklung ein Segen, weil sie auf eine „Good Manufacturing Practice“ zielen: transparente Prozesse und jederzeit einfach nachvollziehbare Ergebnisse. Ist das „ob“ keine Frage mehr, sollte das „wie“ umso sorgfältiger hinterfragt werden. Segensreich wird das Ganze nur dann, wenn

  • die Vorschriften „richtig“, d.h. passend zu den eigenen Prozessen und so schlank wie möglich interpretiert werden. In vielen Fällen lässt sich das „wie“ aus den Regelwerken oft nicht klar ableiten. Hier sind Unternehmen leider auf sehr dünn gesätes Expertenwissen angewiesen.
  • keine separaten Mechanismen verwendet werden, sondern Quality Gates, Deliverables, das Änderungs- und Konfigurationsmanagement usw. zum Diener zweier Herrn gemacht werden: des eigentlichen PEP und der Compliance-Anforderungen. Selbstredend bieten sich hier PLM Plattformen an …

Mein Fazit: Für Compliance-Berater, die Unternehmen aufzeigen,  wie sie so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können, brechen goldene Zeiten an.

PLM-Reset 2011

Die Winterpause ist die Gelegenheit, einen klassischen Blogbeitrag mit dem Fokus auf „Lesson learned“ oder „Nächstes Jahr“ zu verfassen. Ich möchte mit Ihnen einige Gedanken teilen, die ich mir über die Entwicklungen in unserer Branche gemacht habe, und darlegen, in welchen Bereichen ich die größten Veränderungen erwarte. Der Begriff „PLM-Reset“ scheint es mir am besten zu treffen. In den letzten beiden Jahren habe ich mir viele Geschichten über die Implementierung von PLM in Unternehmen angehört. Bei diesen Geschichten musste ich unwillkürlich daran denken, wie dringend notwendig es wäre, unter den PLM-Implementierungen etwas aufzuräumen. Damit meine ich, das Wertversprechen von PLM zu verbessern und die Implementierung effizienter zu machen.

Unternehmenstrends

Ich kann derzeit nur wenige wichtige Unternehmenstrends ausmachen: Cloud-Lösungen, mobiles Unternehmen, soziale Netzwerke und der Einsatz von Software verschiedenster Anbieter. All diese Trends werden einen großen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung von Engineering- und Fertigungssystemen sowie auf die Chancen in diesem Bereich haben.

Cloud-Lösungen werden zu den Unternehmenstrends für 2011 zählen. IDC prognostiziert IT-Ausgaben in Höhe von 1,6 Billionen USD, wobei der Bereich Software und Services um 13 % wachsen wird. Das größte Wachstum werden die öffentlichen Cloud-Services verzeichnen. Cloud ist keine Peripherielösung mehr. 2010 konnte Google zeigen, dass die Lösungen von Google sicher genug für GSA sind. Auch Microsoft und andere Anbieter von Cloud-Lösungen hatten Neues zu verkünden. Meiner Meinung nach können Cloud-Lösungen den klassischen Vormarsch bahnbrechender Technologien in der Unternehmensbranche antreten, was für die Engineering- und Fertigungssoftware (einschließlich PLM) große Vorteile nach sich ziehen könnte.

Mobile Lösungen liegen definitiv im Trend. Wir erleben den unglaublichen Siegeszug von iPad, iPhone und anderen Geräten. Daraus ergeben sich viele zusätzliche Chancen und Veränderungen in der Unternehmenslandschaft. All diese Geräte sind noch nicht ganz für einen unternehmensweiten Einsatz bereit. Dennoch werden die zukünftigen Entwicklungen im Cloud Computing dazu führen, dass diese Geräte bald nahtlos in die Cloud-Netze der Unternehmen integriert werden können.

Soziale Netzwerke sind ebenfalls eine interessante Geschichte. Im Verlauf des letzten Jahres habe ich häufig über soziale Trends geschrieben. Meiner Meinung nach wird der Austausch über soziale Netzwerke in den Unternehmen weiter zunehmen und ein neues Kontaktsystem schaffen, das für die Kommunikation innerhalb des Unternehmens förderlich sein wird. Ich glaube, dass die soziale Komponente entscheidend zu einer Verbesserung der PLM-Zusammenarbeit beitragen wird.

Das Ende von Microsofts Vorherrschaft ist ein weiterer Trend. Bis jetzt wurde ein Großteil der von den Unternehmen verwendeten Software entweder in Redmond oder Redwood Shores entwickelt. Dies ist nicht mehr der Fall. Wir erleben einen riesigen Zuwachs bei der Einführung von Apple-Produkten. Die Unternehmen sind nicht mehr so sehr daran interessiert, vorhandene Anwendungen beizubehalten, sondern sind eher bereit, neue Ansätze zur Lösung von Problemen auszuprobieren. Wir erleben außerdem, dass immer mehr Software von den Mitarbeitern eingebracht wird.

Aufbau eines einfachen PLM-Systems

Zusätzlich zu den oben aufgeführten Unternehmenstrends lässt sich der starke Wunsch nach mehr Vereinfachung erkennen. Lange Jahre kam der Komplexität eine bedeutende Rolle in der Unternehmensorganisation zu. Bei PLM war die Komplexität ein Faktor, um die hohen Kosten, Services und Implementierungen zu rechtfertigen. Für PLM-Lösungen galt in den meisten Unternehmen: Wir brauchen eine komplexe Lösung, um komplexe Probleme zu lösen. Falsch! Diese Auffassung wird sich schon sehr bald ändern. Vor sehr langer Zeit schrieb Mark Twain: „Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich einen kürzeren Brief geschrieben.“ Einfachheit ist eine Herausforderung. Dennoch bleibt mittlerweile keine andere Wahl. Das müssen Anbieter und Kunden begreifen.

Welche Schlüsse ziehe ich daraus? Meiner Meinung nach befindet sich PLM definitiv in einer Position, um einen neuen Höhenflug anzutreten. Alle oben genannten Trends sowie der Wunsch nach einfacheren Lösungen werden die Kunden dazu veranlassen, die „Reset“-Taste zu drücken. „Business as usual“ ist keine Option mehr. Der Siegeszug der Cloud-Technologie und der Einfluss anderer Trends wird sich auf PLM auswirken und dazu führen, dass wir 2011 die Einführung weiterer neuer Lösungen erleben werden. Zumindest sind dies meine Überlegungen…

Alles Gute, Oleg

(Hinweis: Dies ist eine Übersetzung  des Beitrags „PLM Reset 2011“ aus Oleg Shilovitskys Blog Beyond PLM. Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Ohne Gewähr für die Richtigkeit der Übersetzung.)