In den letzten Wochen habe ich in Deutschland Urlaub gemacht – jawohl, das kann man, ohne vom Wetter reden zu müssen, was prächtig war. Es gibt ja auch spannendere Themen: Alle reden von der Deutschen Bahn, die sich zum Sinnbild für die neuen deutschen Untugenden entwickelt: Fortwährende Unpünktlichkeit, technische Unzuverlässigkeit und mangelnde Servicefreundlichkeit. Gut, letztere ist keine besonders neue Untugend und auch keine Erfindung der Bahn.
Ich war viel mit dem Zug unterwegs, mit Kindern und großem Gepäck, was der Urlaubslaune nicht immer zuträglich war, obwohl wir das Stellwerk Mainz weiträumig umfuhren. Verspätungen, verpasste Anschlusszüge, Zugausfälle – das ganze Programm an Foltermaßnahmen, mit dem die Bahn ihre Kunden tagtäglich malträtiert. Und weit und breit kein Kundendienstmitarbeiter zu sehen, der einem erklärt, wie man wenigstens das zum Fenster rausgeworfene Geld für die Sitzplatzreservierung wieder bekommt. Einziger Bahnbonuspunkt: Kinder in Begleitung der Eltern fahren auf den meisten Strecken umsonst, was ich nett von der Bahn finde. Erfreulich auch, dass die meisten Menschen mit undeutscher Gelassenheit auf die Pannen bei der Bahn reagieren. Nur ausländische Urlauber verstehen die Welt nicht mehr.
Während sich die Personalsituation im Stellwerk Mainz nach Sommerurlaub und Sommergrippe wieder normalisieren dürfte, geben die vielen technischen Pannen zu denken, besonders wenn man mit 300 Stundenkilometern über die Schnellbahntrasse zwischen Köln und Mannheim saust. Man hat nicht gerade den Eindruck, dass die Bahn ein proaktives Servicekonzept verfolgt, das heißt Servicefälle durch vorbeugende Wartungsmaßnahmen zu vermeiden versucht. Sie reagiert auf Störungen, und das meistens zu spät.
Vielleicht sollten sich die Bahn und ihre Systemlieferanten mal ein Beispiel an der Japanische Staatsbahn nehmen, die bei ihren Zügen ein Konzept der Nullstillstandswartung verfolgt. Das bedeutet, dass die Züge im laufenden Betrieb gewartet werden und sich natürlich auch warten lassen müssen. Die konsequente Auswertung der Servicehistorie und ein permanentes Monitoring von Loks und Zügen schützt die japanischen Wartungstechniker vor unliebsamen Überraschungen – und das mit Erfolg: Verspätungen von mehr als 30 Minuten kommen bei Japan Railways so selten vor, dass sie Thema in den Nachrichten sind. Davon wagt man in Deutschland nicht mal zu träumen.
Softwaretechnisch sind solche proaktiven Servicekonzepte, die nicht nur die Bahn gut zu Gesicht stünden, dank der Vernetzung intelligenter Systeme über das Internet der Dinge viel leichter umsetzbar als noch vor ein paar Jahren. Voraussetzung dafür ist aber auch die Optimierung der Serviceprozesse, die in vielen Unternehmen immer noch recht hemdsärmelig organisiert sind. Sie betrachten den Service als notweniges Übel, statt ihn als Quelle zusätzlicher Einnahmen zu begreifen, was natürlich auch bedeuten würde, dass sie die Serviceleistungen zusammen mit den Produkten entwickeln müssten. Davon ist man jedoch noch weit entfernt: Produktentwicklung und Service führen in den meisten Unternehmen ein ausgeprägtes Eigenleben.
Die zunehmende Bedeutung des Serviceangebots für den Markterfolg der Produkte spricht dafür, Entwicklungs- und Serviceprozesse enger zu verzahnen. Grundlage dafür ist ein integriertes Produkt- und Service-Lifecycle-Management, das es beispielsweise erlaubt, Informationen über gehäuft auftretende Servicefälle in Form von Änderungen in die laufende Entwicklung einzusteuern. Für die PDM/PLM-Hersteller bedeutet das, dass sie ihre Lösungen entweder um zusätzliche Werkzeuge ergänzen oder aber Schnittstellen zu gängigen Serviceanwendungen schaffen müssen. Das werden sie allerdings nur tun, wenn ihre Kunden entscheiden, Entwicklung und Service endlich IT-technisch zu verheiraten.
Erlauben Sie mir die Anmerkung, dass es heute schon fast “täglich Brot” ist, jedenfalls in den PLM-Anwendungen, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte, dass ein Produkt von der Entwicklung über die Abnahme in die Fertigung und dann in die Wartung gegeben wird. Hierbei erfolgt eine Verfolgung bis selbst zur Einstellung der Wartung, also einige Jahre nach Fertigungsende. Zugegeben, es hängt von der Größe des Projektes ab und in welcher Branche gefertigt wird. Im Automobilsektor mit seinem dezentralen Service ist es ein wichtiges Thema, in der Automatisierungstechnik ebenso. Man muss nur ganzheitlich denken und eine gute PLM-Truppe haben … 😉
Natürlich erfolgt hier der Service toolunterstützt und während des Lebenszyklus über mehrere Schnittstellen, Fertigungsplanung erfolgt in bekannter Großanwendung bis hin zur Serviceanwendung, die teils selbst entworfen, teils mit PLM-Mitteln implementiert wird. Aber Sie haben recht, die PLM-Hersteller selbst haben hier, was die Standardisierung angeht, noch Nachholbedarf.
Ach, die Bahn, ein Grundbedürfnis der Menschen, die Mobilität, man hätte sie niemals privatisieren dürfen. Die Folge: ausgemergelt, weil AG und in den Mangel gespart, mittlerweile über das vertretbare Maß hinaus, da sicherheitsrelevante Teile betroffen sind, dazu gehört auch der Mangel an Stellwerkspersonal. Ziemlich naiv denkt hier die Öffentlichkeit, wenn sie sich hier nur über nicht haltende Züge aufregt. Für mich ist die Bahn keine Alternative mehr, ich bin in halb Europa lieber mit dem Auto unterwegs – bei einem Hersteller mit toolgestütztem Service … 😉