PLM und die Service-Lücke

Vom Anspruch her begleitet PLM den Produktlebenszyklus von der Wiege bis zur Bahre. In der Praxis werden allerdings nur wenige PLM-Implementierungen diesem Anspruch gerecht. Zwischen Entwicklung und Fertigung des Produkts und seinem späteren Betriebsleben bis hin zur Verschrottung klafft daten- und prozesstechnisch in den meisten Fällen eine Riesenlücke. Selten trifft man auf Unternehmen, bei denen die PLM-Lösung auch die Prozesse in Wartung und Instandhaltung effektiv unterstützt.

Woran mag das liegen? Die Datenintegration sollte im Zeitalter von SOA und XML nicht mehr das Hauptproblem sein. Eher wohl die fehlende Prozessintegration? Der Service spielt in vielen Unternehmen immer noch nicht die zentrale Rolle die er vielleicht spielen sollte: Man betrachtet ihn als notwendiges Übel, um den Kunden zufrieden zu stellen, aber nicht als Chance, sich im Wettbewerb abzuheben und zusätzliche Einnahmen zu generieren. Wertvolle Synergiepotentiale für Produktverbesserungen, die sich aus einer effizienteren Zusammenarbeit von Service und Entwicklung ergeben könnten, werden nicht genutzt.
Produktbegleitende Dienstleistungen können maßgeblich dazu beitragen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, den Umsatzstrom zu verstetigen und den Kunden dauerhaft an einen Hersteller zu binden. Wer die erforderlichen Ersatzteile zu seiner Maschine oder Anlage schnell in der Online-Dokumentation findet und nach Möglichkeit gleich bestellen kann, kommt gar nicht mehr auf die Idee, nach einem billigeren Ersatzteil eines Drittanbieters zu suchen. Idealerweise sollten diese Dienstleistungen von Anfang an als integraler Bestandteil des Produkts konzipiert werden, um sicherzustellen, dass die Produkte servicegerecht entwickelt werden.

Die PLM-Technologie bietet die Möglichkeit, technische Dokumente und andere Produktdaten aus der Entwicklung der Serviceorganisation in einer für sie nutzbaren Form bzw. nutzbaren Formaten bereitzustellen. Dafür müssen die gegebenenfalls umstrukturiert werden, da die Servicesicht auf das Produkt nicht notwendigerweise der Konstruktionssicht entspricht. In jedem Fall muss das Produkt in der den Kunden ausgelieferten Zusammensetzung im PLM abgebildet sein, die sich über den Lebenszyklus verändert (beispielsweise durch Austausch von bestimmten Komponenten), was leistungsfähige Funktionen für das Konfigurationsmanagement erfordert.

Um diese Unterlagen im Serviceprozess effizient nutzen zu können, müssen sie um Informationen ergänzt werden, die in anderen Unternehmensanwendungen verwaltet werden. Das erfordert Integrationen zu Systemen für die Instandhaltungsplanung, aber auch die CRM-Systeme (Customer Relationship Management), mit denen Kundenanfragen, Reklamationen etc. bearbeitet werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Fragen Sie doch mal spaßeshalber den PLM-Hersteller Ihrer Wahl, zu welchen MRO-Systemen (Maintenance, Repair & Overhaul) er schon Kopplungen realisiert hat? Die wenigsten Hersteller haben PLM schon zu Ende gedacht. Oder sehe ich das falsch?

Was bringt SOA wirklich für PLM?

Seit es Produktdaten-Management-Systeme gibt, und das sind inzwischen auch schon ein paar Jährchen, schlagen sich Systemhersteller und Anwender mit Integrationsproblemen herum. Am Anfang ging es vor allem um die Anbindung von CAD-Systemen und anderen Daten erzeugenden Anwendungen, mittlerweile rückt immer mehr die Kommunikation zwischen verschiedenen PDM-Systemen oder zwischen PDM/PLM-, ERP- und anderen Enterprise-Anwendungen in den Blickpunkt.

Problematisch ist aus Sicht der Hersteller zum einen die schiere Zahl der erforderlichen Integrationen, die ja auch gepflegt und bei Updates aktualisiert werden müssen, zum anderen die Blockadepolitik mancher Mitbewerber. Sie stellen ihnen nicht alle Informationen zur Verfügung, die sie für eine gute Integration benötigen, oder sie tun es nur auf dem Umweg über ihre eigenen PDM-Systeme. Wohin diese Abschottung führen kann, macht Daimlers Abkehr auf Raten von Dassault Systèmes deutlich.

Angesichts dieser zum Teil eher politisch motivierten Integrationshürden stelle ich mir die Frage, welchen Beitrag die viel beschworene Service Orientierte Architektur (SOA) zur Verbesserung der Integrationsfähigkeit der PLM-Lösungen leisten kann? Die Vision klingt absolut verlockend: Ein einheitliches Datenmodell und eine gemeinsame Datenbank für alle Funktionsmodule einer PLM-Umgebung, die eigentlich keine Daten mehr auszutauschen brauchen, sondern über einheitliche Services auf die Informationen und Funktionen der anderen Module zugreifen. Einfacher zu implementieren, zu aktualisieren und zu erweitern.
Zweifellos erleichtert eine solche Einheitsarchitektur den großen PLM-Herstellern, die in den letzten Jahren eine Vielzahl von Anwendungen zusammengekauft haben, die Integrationen ihres Produkt-Bauchladens. Aber davon hat der Anwender, von der einfacheren Systemadministration vielleicht mal abgesehen, noch keinen großen Zusatznutzen. Den hat er erst, wenn SOA wirklich zu einer Art Standard für die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Systemwelten wird. Das kann aber nur funktionieren, wenn die einmal definierten Services wirklich ohne Anpassungsaufwand Informationen in beliebigen Anwendungen aufrufen oder verarbeiten können. Werden wir da je hinkommen? Die Lippenbekenntnisse vieler Hersteller, die in der Vergangenheit Offenheit predigen und Verschlossenheit praktizieren, machen mich da eher skeptisch. Was also bringt SOA wirklich für PLM? Diese Frage möchte ich hier mal in den Raum werfen.

PDM/PLM Lösungen: Eine für alle?

Das Posting von Oleg Shilovitsky  PDM. Pre-configured? Painless? hat mich  angeregt, diesen Beitrag zu schreiben. Meinungen, ob es Out-of-the-Box oder auch Turnkey Lösungen geben kann und soll, gibt es mittlerweile zahlreiche. Nur noch nicht von mir (-;

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Ein Begriff wie Out-of-the-Box steht für Standardisierung, und sowohl der Hersteller als der Anwender wird – wenn er bei Verstand ist – nach der Devise verfahren: „So viel Customizing wie nötig, so wenig wie möglich“.

Das Thema ist also in den seltensten Fällen eines für die Farben Schwarz oder Weiß. Jedenfalls kenne ich keine Software selbst für die Textverarbeitung oder was auch immer, bei dem man nicht das Eine oder Andere an seine eigenen Belange anpassen will und kann. Die Frage ist nicht „Ob?“ sondern „In welchem Umfang?“ und vor allem „Wie?“. In jedem Fall haben die Hersteller den Schlüssel in der Hand, ihren Kunden das Leben so einfach wie möglich zu machen, aber auch keine falsche Erwartungshaltung zu wecken.

Wie viel Customizing?

PDM- und PLM-Lösungen sind keine Finanzbuchhaltungs- oder Warenwirtschaftsysteme, deren Verfahren in weiten Teilen durch externe Regularien oder anerkannte Algorithmen bestimmt werden. PDM/PLM soll den Innovationsprozess unterstützen, der von Haus aus eine kreative Angelegenheit ist. Vor allem hier (wo sonst?) werden Unternehmen ihre individuellen und besonderen Fähigkeiten im Wettbewerb beibehalten und ausspielen wollen.

Ein CAD-Datenmanagement wird hoffentlich wenig Anpassung erfordern. Je umfassender jedoch der Innovationsprozess unterstützt werden soll, desto weitreichender werden die gewünschten Anpassungen an individuelle Anforderungen durch den Innovationsprozess des Kunden sein. Vordefinierte „Best Practices“ können einem Unternehmen helfen, aber wenn jedes Unternehmen sich mit Haut und Haaren solchen „Best Practices“ unterordnen würde: Wo bliebe da der Wettbewerbsvorteil?

Wie einfach ist das Customizing?

Wenn man Customizing also nicht wegdefinieren kann, dann soll es bitteschön so einfach und so wartungs- und Release-sicher wie möglich sein. Der Worst Case ist, dass man alles programmieren muss, nur Programmierer die Anpassungen verstehen und pflegen können und dass die Anpassungen beim nächsten Update teuer durchforstet und erneut angepasst werden müssen. Der Best Case sind vordefinierte Stellhebel im System, die es sogar erfahrenen Fachanwendern erlauben, ein System nach ihren Belangen anzupassen. Ein gutes Bespiel sind sogenannte Business Rules, die in weiten Teilen das Systemverhalten beeinflussen, in einer Bibliothek übersichtlich vorgehalten und in einer Form geschrieben werden können, die auch Nicht-Programmierer schnell verstehen und nutzen können.

Falsche Erwartungshaltung?

Welcher Hersteller legt schon gleich den Finger in die Wunde und offenbart seinem potenziellen Kunden über Gebühr, dass individuelle Anforderungen eben auch Geld und Mühe kosten? Wird allerdings ein Projekt an dieser Stelle nicht richtig aufgesetzt, sind Reibung, Zeitverzug und Frustration auf allen Seiten vorprogrammiert. Zaubern kann niemand, und es ist Aufgabe der Profis beim Hersteller oder Berater, den Kunden hier an die Hand zu nehmen. Im Zweifel muss fester gedrückt werden!

Was ist ihre Meinuing: Wann machen Out-of-the-Box Lösungen für den Innovationsprozess Sinn?