Multiprojektmanagement fängt beim Einzelprojekt an

Es gibt viele, durchaus erfolgreiche Unternehmen, in denen die Geschäftsleitung nicht genau weiß, wie viele Entwicklungsprojekte gerade laufen und wann welche Ressourcen wieder frei werden, um gegebenenfalls neue Projekte einlasten zu können. Und das liegt nicht nur an den so genannten U-Boot-Projekten, die vom Management-Periskop nicht erfasst werden. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist das Projektmanagement oft noch sehr hemdsärmelig, das heißt die Projekte werden ohne jede IT-Unterstützung abgewickelt, wenn man mal von den klassischen Excellisten absieht. Entsprechend aufwendig ist es, zuverlässige Informationen über den Stand der Projekte zusammenzutragen.

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Mit freundlicher Genehmigung von Stuart Miles, FreeDigitalPhotos.net

Für ein Unternehmen, das eine Handvoll Projekte im Jahr abwickelt, mag das angehen. Aber das ist nicht die Regel. Zumindest nicht bei deutschen Mittelständlern, deren Stärke ja gerade darin besteht, viele kundenspezifische Entwicklungsprojekte gleichzeitig abzuwickeln – und das mit manchmal atemberaubender Geschwindigkeit. Solange alles nach Plan läuft, ist das kein Problem. Problematisch wird es immer dann, wenn Projekte aus dem Ruder laufen, das heißt nicht rechtzeitig fertig werden und/oder mehr Budget als geplant verschlingen. Ohne entsprechende IT-Lösungen hat die Geschäftsleitung kaum Möglichkeiten, solche Abweichungen frühzeitig zu entdecken und sofort gegenzusteuern.

Bei der Auswahl der entsprechenden IT-Lösung stehen die Unternehmen vor der Wahl, ein allgemeines Projektmanagement-System einzuführen, oder aber das Projektmanagement in ihre PLM-Lösung zu implementieren. Für erstere Option spricht, dass in den Unternehmen normalerweise nicht nur Entwicklungsprojekte, sondern auch eine Vielzahl von anderen Projekte abgewickelt werden. Deshalb bevorzugen sie verständlicherweise eine Lösung, die für Mitarbeiter unterschiedlicher Disziplinen und Abteilungen nutzbar und einfach zu bedienen ist. Für die Implementierung des Projektmanagements in die PLM-Lösung spricht hingegen, dass die Steuerung von Entwicklungsprojekten normalerweise besonders anspruchsvoll ist, gerade was das Management der Arbeitsfortschritte angeht. Diesen Anforderungen werden allgemeine Projektmanagement-Lösungen vielfach nicht gerecht.

Ein Projektmanagement zur Unterstützung des Entwicklungsprozesses muss die Möglichkeit bieten, neben den Kosten und Terminen auch die Qualität der Arbeitsergebnisse (Deliverables) zu kontrollieren. Dazu müssen sie notwendigerweise im Projektkontext verwaltet werden. Ohne Kenntnis des Umfangs und Reifegrads der Ergebnisse lässt sich nämlich nur schwer beurteilen, ob ein Projekt hinsichtlich Terminen und Kosten noch im grünen Bereich ist. Ein effizientes Management von Kosten, Terminen und Ergebnissen auf Einzelprojektebene ist letztlich die Grundlage für ein Multiprojektmanagement, das Programm- und Portfoliomanager oder die Geschäftsleitung mit belastbaren Informationen über den tatsächlichen Stand der Projekte versorgt. Dabei geht es nicht nur darum, Projekte in Schieflagen frühzeitig zu identifizieren, sondern auch Aussagen über die zu erwartende Geschäftsentwicklung zu treffen.

Erfolgsgeheimnis eines von den Mitarbeitern akzeptierten und gelebten Multiprojektmanagements ist die Nutzung von bereits vorhandenen Informationen bzw. von Informationen, die gewissermaßen beiläufig während der täglichen Projektarbeit erhoben werden. Dadurch reduziert sich für das „Fußvolk“ der Aufwand für die Pflege der Informationen. Sie brauchen nur noch gefiltert, verdicht und grafisch aufbereitet zu werden, um den Managern einen schnell verständlichen Überblick über das aktuelle Projektgeschehen in dem tatsächlich benötigten Detaillierungsgrad zu geben. Dank ihrer engen Verzahnung mit dem Produktentstehungsprozess bieten PLM-Lösungen die Möglichkeit, sowohl produkt- als auch prozessrelevante Kennzahlen automatisch zu erheben und auszuwerten. Ein Grund mehr für die PLM-Integration des Projektmanagements.

Hintertürchen zur Collaboration

Engineering Collaboration, die Zusammenarbeit von Unternehmen bei der Produktentwicklung, ist eigentlich nichts Neues. Es gibt das Thema schon solange wie es das Outsourcing gibt. Umso verwunderlicher ist, dass die wesentliche Herausforderung bei der Collaboration immer noch einer Lösung harrt: Die Einbettung der unternehmensübergreifenden Austausch- und Abstimmungsprozesse in die PDM/PLM-Lösungen, mit denen die Produktentwicklung in den Unternehmen gesteuert wird.

An fehlenden Tools liegt es wahrlich nicht – im Gegenteil: die Landschaft der Collaboration-Anwendungen ist dank Cloud und Social Media eher noch bunter geworden. Das eigentliche Problem ist die Integration dieser Tools in die IT-Infrastrukturen und Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens. Aus Sicherheitsgründen scheuen

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 die IT-Spezialisten davor zurück, ihre Enterprise Anwendungen nach außen zu öffnen. Das führt oft zu der absurden Situation, dass Daten und Know-how im Unternehmen bombensicher sind, dann aber schnell mal per Email ausgetauscht werden, weil die Ingenieure ja irgendwie ihre Entwicklungsarbeit erledigen müssen. Und die verteilt sich heute nun mal über eine immer längere Supply Chain. Selbst in der sicherheitsbewussten Automobilindustrie tauschen 45 Prozent der Unternehmen ihre Produktdaten mit Auftraggebern und Zulieferern noch vorwiegend per Email aus. Da reiben sich neugierige Nachrichtendienste und andere Datenpiraten freudig die Hände.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Collaboration weiter zunimmt und immer globalere Züge annimmt, ist es vielleicht an der Zeit, mal über eine Neugewichtung nachzudenken. Das heißt mit anderen Worten: auf das letzte Quäntchen an innerer Sicherheit zu verzichten, indem man die PLM-Lösung gezielt für den Zugriff von außen öffnet, um dadurch Datensicherheit und Know-how-Schutz bei der Zusammenarbeit mit externen Partnern zu steigern. Insgesamt würde sich die Sicherheitsbilanz bei der verteilten Produktentwicklung dadurch spürbar verbessern. Man muss ja nicht gleich ein großes Portal aufreißen – mit einem Hintertürchen wäre den Projektverantwortlichen manchmal schon gedient.

Eine wesentliche Anforderung an eine solche Collaboration-Lösung ist, dass sie sowohl für die Auftraggeber, als auch für ihre Zulieferer von Nutzen ist. Allzu oft wurden in der Vergangenheit gerade im Automotive-Umfeld Lösungen implementiert, die die Last der Datenkommunikation einseitig den Partnern aufbürdete. Sie mussten für jeden Auftraggeber eine andere Anwendung implementieren und betreiben – oft ohne Integration in ihre Backend-Systeme. Die Daten wurden weitgehend von Hand in die Auftraggeber-Systeme eingepflegt.

Ganz wichtig ist natürlich auch, dass die Lösung unterschiedliche Szenarien der Zusammenarbeit unterstützt. Die Anforderungen bei einem Standardprozess wie zum Beispiel der Angebotseinholung (Request for Quotation) sind andere als bei einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt, bei dem die Partner ihre Dateien idealerweise in eine gemeinsame Projektablage einstellen und dadurch die Arbeitsfortschritte online verfolgen. Asynchrone Workflows bieten die Möglichkeit, den Umfang an bereit gestellten Daten und PLM-Funktionen gezielt auf die Empfänger zuzuschneiden. Sie sind gewissermaßen das Hintertürchen der Collaboration, das man dann schrittweise zu einem Portal für die synchrone Zusammenarbeit bei Entwicklungsprojekten ausbauen kann.

PLM – Zuviel der Ehre

Es muss mal raus. Niemand sagt, dass PLM einfach ist. Das ist aber kein Grund, das Thema unnötig und ehrfürchtig zu überhöhen. Gängige Definitionen und Interpretationen tun aber leider genau das: PLM ist „ein Konzept“ (Wikipedia, WZL Aachen), „eine Strategie“ (IBM, Schöttner) oder „eine Methode“. Dass Konzepte, Strategien und Methoden helfen, mag so sein, aber mehr auch nicht.

Was haben wir? Den Gegenstand – hier den Lebenszyklus von Produkten – auf der einen Seite, und die Aufforderung, den Lebenszyklus zu managen, auf der anderen Seite. Nicht mehr und nicht weniger. Im Übrigen taugt auch der Begriff Lebenszyklus nicht besonders, um ins Staunen zu kommen. Dass auch Produkte einen solchen haben, liegt in der Natur der Sache. Jetzt muss man nur noch darauf kommen, diesen auch bewusst managen zu wollen, was auf der Hand liegt, wenn man mit Produkten sein Geld verdient.

Erst jetzt fängt es an, interessant werden. Es gibt halt gutes (Bau des Schweizer Gotthard Tunnels) und weniger gutes (Bau des Berliner Flughafens) Management.

PLM ist dann gut, wenn es die Vorgaben und Ziele des Unternehmens optimal erfüllt. Diese misst man am besten anhand von Kennzahlen und Vergleichen mit anderen Unternehmen (Benchmarking). Nun stellt sich die Frage, wie ich die Werte meines Unternehmens verbessern kann: Unverändert bewährt sind die Perspektiven Mensch, Organisation und Technik, und die Idee kontinuierlicher Verbesserung anhand eines Plan/Do/Check/Act-Regelkreises. Der Rest sind Details. Zugegeben: Da steckt der Teufel drin. Es sind aber keine Aufgaben, die nicht mit gesundem Menschenverstand und Kompetenz vorangebracht werden könnten, sofern das Management ehrlich dahinter steht!

Die Überhöhung, die hinter Begriffen wie Strategie und Methode steckt, ist der Sache nicht dienlich, weil sie ablenkt, ehrfürchtige Distanz schafft und Raum für Ausreden bietet: „kompliziert!“, „später!“. Da ist die Frage nach den Zielen viel geeigneter, weil sie zugleich eine gemeinsame Diskussionsebene mit dem Management bietet: Was will ich konkret verbessern und anhand welcher Kennzahlen kann ich dies beschreiben?

Was ist also PLM? Eine Managementaufgabe! Die wird natürlich heute auch schon irgendwie erledigt, bietet aber in vielen Unternehmen noch Potenzial. In Anlehnung an den Begriff der Good Manufacturing Practice passt hier „Good Management Practice“ mit dem Ziel, Durchlaufzeiten und Kosten zu reduzieren und die (Produkt-) Qualität zu erhöhen. Der Rest ergibt sich. Bange machen gilt nicht.