Der Digitale Zwilling im Zeichen regenerativer Energie

Laut dem Bundesverband der Windenergie (BWE) liegt der Anteil der Windenergie an der deutschen Stromproduktion in diesem Jahr bei 27 Prozent, im Jahr 2020 stellte die Windenergie sogar die wichtigste Energiequelle im deutschen Strommix. Insgesamt sind mehr als 31.000 Anlagen installiert, die im Jahr 2019 89 Millionen Tonnen CO2-Equivalent eingespart haben. Windkraft ist somit eine tragende Säule für die CO2-arme und nachhaltige Energieerzeugung und liefert einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Die weitere Steigerung der Erträge bei gleichzeitiger Reduzierung der Wartungskosten ist deshalb von großer Bedeutung.

Mit smarten Systemen die Effizienz von Windparks steigern

Digitale Zwillinge sind das zentrale Element, um das volle Potenzial der Windkraft auszuschöpfen und die Erträge zu maximieren. Angetrieben von der Vision, ein datenbasiertes Entwicklungswerkzeug für die Windindustrie zu schaffen, startete vor eineinhalb Jahren das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Verbundprojekt WIND IO.

Unter Federführung des Instituts für integrierte Produktentwicklung BIK der Universität Bremen bauen wir hierfür mit mehreren Konsortialpartnern Forschungsanlagen als cyberphysische Systeme auf und rüsten diese mit Sensoren, Elektronik und Rechnern (sogenannte IoT-Gateways) nach. Dies ermöglicht es, alle Betriebsinformationen der realen Anlage digital abzubilden und an einem Digitalen Zwilling zusammenzuführen. Das Betriebsverhalten kann anhand des Digitalen Zwillings simuliert werden, was wiederum Erkenntnisse für weitere Optimierungen an der Windenergieanlage zulässt. Der Digitale Zwilling liefert hierzu nicht nur Informationen über den aktuellen Energieertrag, sondern bietet auch ein umfassendes Gesamtbild über den Zustand jeder einzelnen Anlage.

Verbesserte Montage-, Wartungs- und Instandhaltungsprozesse

Mit den gewonnenen Informationen lassen sich beispielsweise die Wartungs- und Instandhaltungsprozesse optimieren. So machen die Daten den Alterungsprozess von Bauteilen jederzeit transparent und geben bei Überschreitung festgelegter Grenzwerte automatisch Alarm. Der Digitale Zwilling ermittelt anhand der erhobenen Betriebs-, Umgebungs- und Wetterdaten zudem einen günstigen Wartungszeitpunkt der Anlage. Diese sollte idealerweise bei wenig Wind durchgeführt werden, um nicht auf Kosten der Energiegewinnung zu gehen.

Für die Berechnungen kommen hierbei sowohl statistische Methoden als auch Modelle aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz. Diese Methoden helfen auch, den besten Zeitpunkt für den Aufbau einer Windkraftanlage zu bestimmen, da die Montage der Rotorblätter nur bei bestimmten Bedingungen erfolgen kann. Hierfür fließen neben den Wetterdaten zusätzliche Parameter, wie beispielsweise die Schwingung des Turms, in die Berechnungen mit ein.

Digitale Zwillinge für eine nachhaltige Industrie 

Das WIND IO Projekt zeigt anschaulich, welches Potenzial in der Digitalisierung und besonders im Konzept des Digitalen Zwillings steckt. Darüber hinaus können Unternehmen ihre Daten nutzen, um ganze Produktions- und Betriebszyklen zu simulieren. Dies ermöglicht es, den Ressourcenverbrauch zu minimieren, den Energieverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig die Produktionsschritte effektiver aufeinander abzustimmen sowie die Transportwege zu optimieren. Konzepte wie der Digitale Zwilling und datenintensive Analysemethoden sind damit essenziell für eine schonende und effiziente Industrie.

Black Box IoT?

Wer kauft schon gerne die Katze im Sack? Zumal wenn damit komplettes Neuland betreten wird… Der erste Kinderwagen zum Beispiel: Man ist sich zwar schon darüber im Klaren, dass man ihn braucht, aber die Entscheidung, ob es ein kleines Packformat oder doch lieber die Fahrradanhänger-Kombi sein soll, ist da schon schwieriger.

Der letzte Kinderwagenkauf ist jetzt schon einige Zeit her (mittlerweile bin ich Experte im Kauf von Skateboards). Falls Sie aber gerade vor der Wahl stehen, empfehle ich Ihnen ein dunkles Modell, da sieht man den Dreck nicht so deutlich.

Ein IoT-System ist zwar in der Regel nicht so dreckempfindlich, seine Auswahl ist dafür aber umso komplexer. Zumal viele Unternehmen damit Neuland betreten und schon an der Auswahl der richtigen Kriterien schier verzweifeln können. 

Hier habe ich zwei gute Nachrichten. Erstens: Welche IoT-Lösung passt, lässt sich einfach ausprobieren. Ein Proof of Concept ist eine sehr gute Möglichkeit, eine Lösung ohne große Risiken zu testen, bevor Sie sich für ein System entscheiden. Und zweitens: So sehr IoT auch neue Chancen bietet – so sehr basieren smarte Geschäftsprozesse auf guten alten Tugenden:

  1. Sind Sie sich sicher, wie Ihr IoT-Geschäft aussehen wird und das es auf lange Zeit so bleibt? Wahrscheinlich nicht. IoT ist ein sehr volatiler Markt, in dem gerade eine ganze Menge passiert. Also muss Ihr IoT-System reaktionsstark sein und am besten von der Fachabteilung selbst angepasst werden können. Das Stichwort dahinter heißt „low code„, das heißt keine aufwändige Programmierung, um Ihre Prozesse abzubilden. Und wenn das nicht reicht, sollte das System so modular sein, dass man zusätzliche Komponenten einfach „nachladen“ kann.

  2. Entsteht Ihr IoT-Geschäft auf der grünen Wiese oder erweitert es Ihr bestehendes Business? Wenn Letzteres der Fall ist, dann sollte Ihr IoT-System mit der übrigen IT-Welt in Ihrem Unternehmen sprechen können: Ersatzteilbestellungen zum Beispiel sollten ja in aller Regel einmal bei der Finanzbuchhaltung vorbeigekommen sein. Offene oder sogar zertifizierte Schnittstellen sind auch hier das A und O.

  3. Stellen Sie Industriegüter her? Haben Sie auch mal mit Ersatzteilen und Wartung zu tun? Dann wird Ihr neuer bester Freund im IoT-Neuland der „Digitale Zwilling„. Aber nur, wenn er auch industrietauglich ist: Er muss die Komponenten Ihrer Anlage detailliert abbilden können (am besten mit zugehörigem 3D-Modell), die aktuellen Parameter wie Software-Stände kennen und insbesondere Veränderungen nach Wartung oder Umbau dokumentieren können.

Die Anbindung von Geräten ist ehrlich gesagt meist nur eine Frage von Fummelarbeit, in aller Regel aber kein grundsätzliches Problem. Schritt für Schritt setzen sich hier Standardprotokolle für die Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikation wie MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) oder OPC/UA (Unified Architecture) durch und machen allen Beteiligten das Leben leichter.

Also: Probieren Sie es mit einem Proof of Concept einfach aus! Wenn Sie dabei auch noch auf die drei Prüfsteine achten, sind Sie gut im Rennen. Dann stehen Ihnen die Möglichkeiten von „Analytics“, „Big Data“, „Data Driven Processes“ oder „Predictive Maintenance“ offen.

In 4 Schritten mit IoT durchstarten

Das Internet der Dinge (IoT) und der digitale Zwilling sind in aller Munde – bilden sie doch den Rahmen für neue, digitale Geschäftsmodelle. Laut einer Prognose von PwC beschert die Digitalisierung dem produzierenden Gewerbe in den nächsten 4 Jahren ein Umsatzplus von mehr als 270 Milliarden Euro allein in Deutschland.

Unternehmen erhoffen sich durch smarte Produkte und digitale Geschäftsmodelle Umsatzwachstum. Das bestätigt auch unsere aktuelle IoT-Studie, die gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) durchgeführt wurde. Sie zeigt, dass Unternehmen große Erwartungen haben, verdeutlicht aber gleichzeitig, dass bei der konkreten Umsetzung noch Zurückhaltung herrscht. Viele Unternehmen stehen vor der Frage: „Wie funktioniert das eigentlich mit IoT?“.

Meiner Erfahrung nach machen Unternehmen gedanklich häufig den zweiten vor dem ersten Schritt, was zu Zurückhaltung führt. Natürlich ist es gut und wichtig eine Vision zu haben. Das Bild, was oft in Blogs und Foren veröffentlicht wird, zeigt aber meist sehr weit entwickelte IoT-Szenarien. Sie setzen nicht da an, wo viele Unternehmen aktuell mit ihrem Geschäftsmodell und Technologiewissen stehen.

Darum ist es wichtig, selbst Erfahrungen zu sammeln und sich Schritt für Schritt getreu der Devise Think big, start small, act now! neuen digitalen Geschäftsmodellen anzunähern. Eigene Projekte, auch zusammen mit Technologiepartnern, erweitern den Erfahrungsschatz ganz automatisch. Warum also nicht damit beginnen, die neue Technologie zur Unterstützung des klassischen Geschäfts zu nutzen?

Ich möchte mit meinem Beitrag zeigen, wie Unternehmen in nur 4 Schritten ein effektives IoT-Szenario für ihr Geschäft realisieren können.

Schritt 1: Der digitale Zwilling als Kommunikationsschnittstelle

Die notwendigen Daten für den digitalen Zwilling sind in der Regel bereits im Unternehmen vorhanden. Den Anfang macht eine einfache Seriennummer. Sie dient als Dokumentationsschnittstelle und bringt die Daten mit dem Produkt in Verbindung. Später werden 3D-Daten hinzugefügt. Die Daten liegen häufig bereits in PLM– oder ERP-Systemen vor – zum Beispiel aus der Produktion, dem Einkauf oder der Entwicklung – und sollten zusammenhängend in einem Dashboard abgebildet werden.

Schritt 2: Daten generieren über Sensoren

Auch Sensoren sind bereits häufig vorhanden, beispielsweise für die Steuerung von Geräten, Maschinen und Anlagen. Sie erfassen Zustände wie Leistung, Druck, Verbrauch usw. Diese Daten werden nun konsequent erfasst und geeignet abgelegt. So kann stets der aktuelle Zustand eingesehen werden. Außerdem werden Grenzwerte definiert, zum Beispiel für eine zu hohe Stromabnahme, woraufhin Warnungen versendet und Fehler behoben werden können.

Schritt 3: Smarte Wartungsarbeiten einleiten

Aus der Analyse der Daten lässt sich ein detailliertes Schadens- und Verschleißbild ableiten und Maßnahmen wie Wartungsvorhaben möglichst früh in die Wege leiten. Der digitale Zwilling dient hierbei als Dokumentationsschnittstelle. Alle Anpassungen am Produkt bleiben so nachvollziehbar. Diese Datenhistorie kann später für die Entwicklung von Vorhersagen („Predicitve Maintenance“) verwendet werden. Der digitale Zwilling „as maintained“ unterstützt bei der Dokumentation der Produktänderungen, kann diese mit historischen Daten in Verbindung setzen und somit auch nachweisen, in welcher Konfiguration das Produkt optimal funktioniert. Der klassische Produktlebenszyklus wird also auf die Nutzung erweitert.

Schritt 4: Ersatzteile anfordern

Darüber hinaus werden die Informationen genutzt, um Ersatzteile anzufordern. Mithilfe von komprimierten Service-Stücklisten oder Ersatzteilkatalogen werden die Daten dem betroffenen Bauteil zugeordnet und das benötigte Ersatzteil bei bevorstehendem Schaden zugestellt. Auch diese Daten liegen bereits in ERP-Systemen. Dieser Vorgang kann manuell oder automatisch auf Basis der Gerätemeldungen angestoßen werden. Somit vermeiden Unternehmen Stillstand in der eigenen Fertigung.

In diesen 4 einfachen Schritten ist ein effizientes IoT-Szenario umgesetzt und ein großer Schritt in Richtung digitales Geschäftsmodells gemacht. Ich bin mir sicher, dass vielen Unternehmen so der Start mit der neuen Technologie gelingt.

Also: Loslegen und die gewonnenen Erfahrungen für digitale Geschäftsmodelle nutzen!