Kontext ist King – virtuelle Zusammenarbeit in der Produktentwicklung

Die vergangenen zwei Monate haben dem Thema virtuelle Zusammenarbeit einen enormen Schub verliehen. Die Corona Krise hat flächendeckend jeden dazu gezwungen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzten. Und das Fazit ist durchgängig positiv!

In den ersten Wochen galt es, zunächst einmal die Möglichkeiten für eine virtuelle Zusammenarbeit zu schaffen. Jetzt geht es darum, die Potenziale dieser Möglichkeiten nach der Rückkehr in die „Normalität“ weiter zu nutzen. Mehr noch: Viele Unternehmen nehmen die gesammelten Erfahrungen zum Anlass, ihre Aufbau- und Ablauforganisation neu zu überdenken und Geschäftsprozesse weiter zu digitalisieren.

Sonderfall Produktentwicklung

Während gängige Office-Lösungen in Kombination mit Videokonferenzen in Bereichen wie Administration, Marketing oder Vertrieb einfach zu nutzen sind, stoßen sie in der Produktentwicklung oft an ihre Grenzen. Ein Grund dafür ist, unter anderem, die hohe Interdisziplinarität in diesem Bereich. Viele verschiedene Fachteams müssen zeitgleich und in mehreren Projekten zusammenarbeiten. Hinzu kommt die hohe Komplexität der Arbeitsgegenstände, die oftmals als Strukturen ausgeprägt sind und vielfältige Relationen untereinander haben. Um unter diesen Rahmenbedingungen produktiv virtuell zusammenzuarbeiten, reichen die Möglichkeiten der üblichen IT-Tools nicht aus.

Neue Anforderungen an IT-Werkzeuge

Abhilfe schaffen hier intelligente Plattformlösungen für kollaboratives Product Lifecycle Management (PLM), die es ermöglichen kontextbezogen interdisziplinär zu arbeiten. Kontextbezogen heißt, dass alle Arbeitsgegenstände miteinander verlinkt und zu jeder Zeit im Arbeitsprozess und aus jedem Zusammenhang aufrufbar sind. Analysten wie Gartner sprechen hier von Content Collaboration Tools. So kann von einem Arbeitsgegenstand ohne Suchen und Nachfragen zu allen benachbarten Arbeitsgegenständen navigiert werden. Das garantiert gerade bei verteilten Teams ein effizientes und geltungssicheres Zusammenarbeiten.

Intelligente Plattformlösungen bieten noch einen weiteren Vorteil in der Zusammenarbeit: Eine gemeinsame Umgebung in der sich alle Projektbeteiligten informieren und Änderungen direkt einsehen können. Dabei unterstützen teamübergreifende Chat-Funktionen, sogenannte Activity Streams, den konsistenten Austausch über den aktuellen Stand der Dinge. Das garantiert gerade in der virtuellen Zusammenarbeit einen kontinuierlichen Informationsfluss, der in den meisten Fällen den fehlenden „Flurfunk“ oder das Treffen an der Kaffeemaschine mehr als kompensiert. Auch hierfür hat Gartner einen Begriff parat, den der Workstream Collaboration.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil intelligenter Plattformlösungen ist die Verwendung von integrierten Taskboards, mit denen Entwicklerteams eigenverantwortlich ihre Aufgaben organisieren. In der Vergangenheit nutzte man oft Aufgabenlisten mit mehreren hundert Einträgen. Heute ermöglichen Taskboards nur wichtige Meilensteine oder Quality Gates vorzugeben, die einzelnen Aufgaben innerhalb der Meilensteine jedoch den Teams eigenverantwortlich zu überlassen. Damit kann ein interdisziplinäres, verteiltes Team in virtuellen Sessions z.B. per ZOOM, eine gemeinsame Wochenplanung am Bildschirm durchführen.

Der wesentliche Vorteil integrierter Taskboards liegt in der direkten Verlinkung von Aufgabenkarten auf den Boards mit den Arbeitsgegenständen. Das vermeidet neben der zeitraubenden Suche nach den passenden Arbeitsobjekten, auch Fehler- und Versionsrisiken. Diese Mehraufwände und Risiken treten in der Regel bei zugekauften Einzellösungen auf.

Fazit:

Die Corona Krise hat den Boden bereitet, um ab jetzt den Umfang der virtuellen Zusammenarbeit – auch in der Produktentwicklung – kontinuierlich auszubauen. Die Produktentwicklung stellt für eine effiziente virtuelle Zusammenarbeit spezielle Anforderungen an IT-Tools. Insbesondere das Arbeiten im Kontext ist hierbei ein entscheidender Produktivitätsfaktor. Ausgewählte intelligente Plattformlösungen für kollaboratives PLM erfüllen diese Anforderungen schon heute.

In 4 Schritten mit IoT durchstarten

Das Internet der Dinge (IoT) und der digitale Zwilling sind in aller Munde – bilden sie doch den Rahmen für neue, digitale Geschäftsmodelle. Laut einer Prognose von PwC beschert die Digitalisierung dem produzierenden Gewerbe in den nächsten 4 Jahren ein Umsatzplus von mehr als 270 Milliarden Euro allein in Deutschland.

Unternehmen erhoffen sich durch smarte Produkte und digitale Geschäftsmodelle Umsatzwachstum. Das bestätigt auch unsere aktuelle IoT-Studie, die gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) durchgeführt wurde. Sie zeigt, dass Unternehmen große Erwartungen haben, verdeutlicht aber gleichzeitig, dass bei der konkreten Umsetzung noch Zurückhaltung herrscht. Viele Unternehmen stehen vor der Frage: „Wie funktioniert das eigentlich mit IoT?“.

Meiner Erfahrung nach machen Unternehmen gedanklich häufig den zweiten vor dem ersten Schritt, was zu Zurückhaltung führt. Natürlich ist es gut und wichtig eine Vision zu haben. Das Bild, was oft in Blogs und Foren veröffentlicht wird, zeigt aber meist sehr weit entwickelte IoT-Szenarien. Sie setzen nicht da an, wo viele Unternehmen aktuell mit ihrem Geschäftsmodell und Technologiewissen stehen.

Darum ist es wichtig, selbst Erfahrungen zu sammeln und sich Schritt für Schritt getreu der Devise Think big, start small, act now! neuen digitalen Geschäftsmodellen anzunähern. Eigene Projekte, auch zusammen mit Technologiepartnern, erweitern den Erfahrungsschatz ganz automatisch. Warum also nicht damit beginnen, die neue Technologie zur Unterstützung des klassischen Geschäfts zu nutzen?

Ich möchte mit meinem Beitrag zeigen, wie Unternehmen in nur 4 Schritten ein effektives IoT-Szenario für ihr Geschäft realisieren können.

Schritt 1: Der digitale Zwilling als Kommunikationsschnittstelle

Die notwendigen Daten für den digitalen Zwilling sind in der Regel bereits im Unternehmen vorhanden. Den Anfang macht eine einfache Seriennummer. Sie dient als Dokumentationsschnittstelle und bringt die Daten mit dem Produkt in Verbindung. Später werden 3D-Daten hinzugefügt. Die Daten liegen häufig bereits in PLM– oder ERP-Systemen vor – zum Beispiel aus der Produktion, dem Einkauf oder der Entwicklung – und sollten zusammenhängend in einem Dashboard abgebildet werden.

Schritt 2: Daten generieren über Sensoren

Auch Sensoren sind bereits häufig vorhanden, beispielsweise für die Steuerung von Geräten, Maschinen und Anlagen. Sie erfassen Zustände wie Leistung, Druck, Verbrauch usw. Diese Daten werden nun konsequent erfasst und geeignet abgelegt. So kann stets der aktuelle Zustand eingesehen werden. Außerdem werden Grenzwerte definiert, zum Beispiel für eine zu hohe Stromabnahme, woraufhin Warnungen versendet und Fehler behoben werden können.

Schritt 3: Smarte Wartungsarbeiten einleiten

Aus der Analyse der Daten lässt sich ein detailliertes Schadens- und Verschleißbild ableiten und Maßnahmen wie Wartungsvorhaben möglichst früh in die Wege leiten. Der digitale Zwilling dient hierbei als Dokumentationsschnittstelle. Alle Anpassungen am Produkt bleiben so nachvollziehbar. Diese Datenhistorie kann später für die Entwicklung von Vorhersagen („Predicitve Maintenance“) verwendet werden. Der digitale Zwilling „as maintained“ unterstützt bei der Dokumentation der Produktänderungen, kann diese mit historischen Daten in Verbindung setzen und somit auch nachweisen, in welcher Konfiguration das Produkt optimal funktioniert. Der klassische Produktlebenszyklus wird also auf die Nutzung erweitert.

Schritt 4: Ersatzteile anfordern

Darüber hinaus werden die Informationen genutzt, um Ersatzteile anzufordern. Mithilfe von komprimierten Service-Stücklisten oder Ersatzteilkatalogen werden die Daten dem betroffenen Bauteil zugeordnet und das benötigte Ersatzteil bei bevorstehendem Schaden zugestellt. Auch diese Daten liegen bereits in ERP-Systemen. Dieser Vorgang kann manuell oder automatisch auf Basis der Gerätemeldungen angestoßen werden. Somit vermeiden Unternehmen Stillstand in der eigenen Fertigung.

In diesen 4 einfachen Schritten ist ein effizientes IoT-Szenario umgesetzt und ein großer Schritt in Richtung digitales Geschäftsmodells gemacht. Ich bin mir sicher, dass vielen Unternehmen so der Start mit der neuen Technologie gelingt.

Also: Loslegen und die gewonnenen Erfahrungen für digitale Geschäftsmodelle nutzen!

Über IoT-Failures und Vertrauen in Technologie

Anfang April diesen Jahres besuchte ich die building IoT in Köln. Bei der Fachkonferenz, die von heise developer, iX und d.punkt Verlag organisiert wurde, drehte sich in Vorträgen und einer Ausstellung alles rund um Anwendungen für das Internet der Dinge (IoT) und Industrie 4.0. Zusammen mit meiner Kollegin Yang Zhong durfte ich in einem Vortrag  moderne User-Experience-Konzepte (UX) für IoT-Lösungen vorstellen.

Zum Abschluss unseres Vortrags, der einen Arbeitsprozess eines Anwenders, von der Datenaufnahme eines realen „Things“ bis zur Visualisierung der Live-Daten im Dashboard mittels Digitalem Zwilling zeigte, gab es eine sehr anregende Diskussion. Zwei Punkte waren hier besonders interessant: 

  • In vielen Anwendungsbereichen steht das Thema Customer-Journey weit oben auf der Agenda – was den aktuellen Trend bestätigt.  
  • Es ist essentiell, Software für Anwender zu entwickeln – was auch Konsens war.

Der Abend gehörte ganz dem Thema Industrial IoT. Als Moderatorin leitete ich eine Gesprächsrunde aus Vertretern unterschiedlicher Unternehmen und Softwarefirmen, wie beispielsweise Miele, Dürr Dental, Codecentric oder akquinet. Hier entwickelte sich eine intensive Diskussion um die vorherrschenden Themen der Industrie 4.0. Dazu gehören neben der Wahl der Steuerungselektronik oder des Funkstandards auch Fragestellungen, ob eine IoT-Lösung in einer Cloud betrieben werden soll. Gründe für Lösungen in einer Cloud sind natürlich der Komfort und die relativ effiziente und einfache Skalierbarkeit was die Anzahl der zu verwaltenden „Things“ betrifft. Im Gegensatz dazu spricht für das Verwalten der Software auf eigenen Servern (on-premise), dass vertrauliche Produkt- oder Kundendaten das Haus auch wirklich nicht verlassen. Die Diskussion hat meine Einschätzung bestätigt, dass beide Vorgehensweisen in der Praxis ihre Vorteile haben und entsprechend Anwendung finden.

Eines meiner persönlichen Highlights der diesjährigen building IoT war eine negative Hitliste mit IoT Produkten, so genannte IoT-Failures: Produkte also, die massive Sicherheitslücken besitzen, wie beispielsweise offene Datenschnittstellen. Einige „klassische“ Lücken waren schon bekannt, wie nicht geänderte Standard-Passwörter, die Datenmissbrauch/-diebstahl ermöglichen. Von anderen war ich überrascht: wie zum Beispiel einem Rauchmelder eines namhaften Herstellers, der bereits serienmäßig mit einem Mikrophon (?!) ausgestattet wurde, das wiederum unerwünschtes Mithören in Wohnräumen erlaubt.

Warum ist ein Mikrophon in einem Rauchmelder zu finden?  Das können wir nicht mit Sicherheit sagen, zumindest ist es nicht im Sinne des Kunden und lässt das Vertrauen in die Technik massiv schwinden. Und genau das ist der springende Punkt: Akzeptanz für neue Technologien benötigt Vertrauen. Und das wird bei  der zunehmenden Digitalisierung immer wichtiger.