Das Ende der (PLM) Geschichte?

CONTACT hat eine der größten Studien der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum zum Thema Product Lifecycle Management (PLM) unterstützt. Von August bis September 2010 wurden durch RAAD Research dazu über 300 Führungskräfte, d. h. IT-Leiter, Entwicklungsleiter und Controlling-Verantwortliche aus der Fertigungsindustrie interviewt. Die Ergebnisse unter dem Titel „PLM – Entwicklung und Potenziale in Deutschland 2010“ liegen nun vor. Details finden sich z.B. hier.

Ein Ergebnis ist mir dabei besonders aufgefallen, fast bin ich versucht zu sagen „sauer aufgestoßen“. Die Zahlen in der Grafik stehen nur exemplarisch für weitere, unter dem

Strich ziemlich positive Einschätzungen der Situation rund um das Thema PLM. Frei nach Francis Fukuyama stehen wir danach kurz vor dem Ende der (PLM) Geschichte und sollten uns als Hersteller, Berater und PLM Beauftragte in den  Unternehmen demnächst besser nach anderen Aufgaben umsehen.

Nun haben wir und vielleicht auch Sie einen guten Einblick in die Praxis. Dabei ist mit Allem zu rechnen, aber nur in schönen Ausnahmefällen mit einer umfassenden, inhaltlich belastbaren und vom Management unterstützten PLM Strategie! Woher kommt also die Diskrepanz? Meine Vermutung: Das Thema PLM wird immer noch recht eng ausgelegt und die Verbindung von Entwicklung und Produktion mittels freigegebener Artikeln, Zeichnungen und  Stücklisten als der wesentliche PLM Baustein gesehen. Sinngemäß hätten die Interviewten demnach an den „Spatz in der Hand“, aber nicht an die Taube auf dem Dach gedacht.

Ich finden, die Zahlen oben sind eine schöne Provokation und ein Weckruf, noch besser für die Potentiale der PLM Idee verbunden mit modernen Entwicklungsmethoden, Werkzeugen und Schnittstellen zu werben. Oder ist die Idee doch schon viel weiter in der Praxis angekommen und die Zahlen sind der Tendenz nach stimmig?

Standards in der Produktentwicklung: Fluch oder Segen?

Vorweg: es geht in diesem Beitrag nicht um Normteile oder andere Dinge, die Produkte standardisieren, sondern um solche, die festlegen, auf welche Art und Weise Produkte entwickelt werden. Das ist ein weites Feld, angefangen bei der Frage, wer den Standard vorgibt, etwa das eigene Unternehmen, der Kunde, Normungsgremien usw. bis hin zu Frage, was standardisiert wird wie z.B. Verfahrensabläufe, Benennungskataloge, oder Nummerungsysteme.

Die meisten von uns werden bestimmte Standards lieben und andere hassen. Die guten sind die, die mir persönlich erkennbar nützen, etwa weil sie mir helfen, mich leichter zurechtzufinden. Und die schlechten sind eben solche, die eher hinderlich für meine Aufgaben sind.

Gute Standards stellen einfach „Best Practices“ dar. Bei schlechten Standards erkennen die Anwender, dass man das anders und besser machen kann. Gute Standards fallen nicht vom Himmel und selbst jahre- oder jahrzehntelange Gremienarbeit ist keine Erfolgsgarantie, siehe den „Standard for the Exchange of Product model data“ (ISO 10303 STEP).

Jeder Entwickler macht eigentlich nicht anders als einen Standard für eine gewünschte Funktion zu schaffen. Als Entwickler von gewarteter „Standard“ PLM-Software haben wir die Aufgabe, Standards für die Produktentwicklung zu schaffen. Das ist anspruchsvoll, denn jede Produktentwicklung lebt davon, abseits ausgetretener Pfade Innovatives zu schaffen. PLM-Projekte und PLM-Software greifen unter Umständen tief in die Art und Weise ein, wie Unternehmen und  Mitarbeiter Produkte entwickeln. Im Unterschied zu bloßen Regelwerken, wie sie in vielen Unternehmen anzutreffen sind, ist die Standardisierung  gleich in die Werkzeuge eingebaut, die die Anwender nutzen. Je feinkörniger hier die Vorgaben sind, desto schwieriger wird es, die Bedürfnisse der Anwender praxisgerecht zu erfüllen.

Zusammenfassend meine Meinung:

  1. Gute Standards stellen Best Practices dar, deren Nutzen  für Anwender offensichtlich ist.
  2. Standards zu entwickeln ist schwierig. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Fähigkeit, Standards beruhend auf Erfahrungen in nicht zu kurzen und nicht zu langen Abständen zu verbessern.
  3. Standards haben auch in der Produktentwicklung ihre Berechtigung. Sie helfen z.B., Compliance-Richtlinien zu beachten, über Abteileingen und Disziplinen hinweg besser zu kommunizieren und Zeit dadurch zu sparen, dass man das Erfahrungswissen anderen nutzen kann.
  4. Standardisierung in der Produktentwicklung erfordert besondere Umsicht: Schließlich sollen Kreativität und Flexibilität nicht unter die Räder kommen.

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Hello World!

Liebe Leser,

mit diesem Editorial eröffnen wir – Mitarbeiter der CONTACT Software GmbH – unseren PLM Web-Log. CONTACT bezeichnet sich gerne als einen der führenden Anbieter von Lösungen für PDM, PLM und die Zusammenarbeit in der Produktentwicklung. Mit diesem Blog wollen wir allerdings keine Werbung für unsere Produkte machen, denn das Thema PLM ist auch so spannend genug. Mit dem Startbeitrag will ich ohne Anspruch auch auf nur annähernde Vollständigkeit umreißen, worum es beim Thema PLM gehen könnte.

Das führt gleich zur Frage, was PLM ist? Klar, kein IT-System, sondern Aufgabe, die Entwicklung der eigenen Produkte von der Wiege bis zur Bahre im Sinne der Unternehmensziele zu gestalten. Produktentwicklung ist etwas Besonderes, weil sie Kreativität verlangt. Es geht eben um besondere Produkte: Unikate etwa im Anlagenbau abgestimmt auf die Anforderungen des Auftraggebers, oder Serienprodukte mit einzigartigen Eigenschaften, denen die Kunden vor dem Wettbewerb den Vorzug geben.

Auf der anderen Seite spielen Effizienz, Effektivität und Systematik in der Produktentwicklung eine große Rolle. Innovative und attraktive Produkte, bei denen die Kosten nicht stimmen, Entwicklungsprojekt, die wegen Reibungsverlusten den SOP verzögern oder undurchsichtige Prozesse, die sich nicht zertifizieren lassen, gefährden die Früchte, die ein Unternehmen ernten will. Kreativität und Systematik sind deshalb in der Produktentwicklung zwei Seiten derselben Medaille, und  „Managed Creativity“  ist die Essenz jeder PLM-Initiative.

PLM ist als Begriff nicht mehr so ganz taufrisch (weiß jemand, wer den Begriff wann genau geprägt hat?), hat aber nichts an Aktualität verloren. Welches Unternehmen würde von sich behaupten, PLM entsprechend dem Capability Maturity Model den Level 5 und damit den schwarzen PLM-Gürtel erreicht zu haben? Ich lehne mich aus dem Fenster und behaupte: eigentlich steht die ganze Branche erst am Anfang, wenn man sich z.B. anschaut, wie die unterschiedlichen Disziplinen, die an einem Produkt arbeiten, zusammenarbeiten (können). Das sind heute immer weniger nur Mechaniker, sondern mehr und mehr auch Elektroniker, Elektrotechniker und Softwareentwickler. Die Möglichkeiten, anhand gemeinsamer Begriffe, Modelle und Vorgehensweisen, Daten und  Dokumenten zusammenzuarbeiten, stehen dabei im Vordergrund. Menschen und ihre organisierte Arbeitsteilung und Zusammenarbeit sind dabei – neben Tools und Systemen  – entscheidend. Der Dreiklang Mensch, Organisation und Technik macht in Verbindung mit dem Anspruch, der hinter Managed Creativity steckt, PLM zu einem der spannendsten Themen überhaupt!

Der Begriff Lifecycle deutet es an: bei PLM geht es auch um zahlreiche besondere Aufgaben, von der Produktplanung bis zur Wartung und  Instandhaltung. Daran sind also viele Spezialisten beteiligt, die besondere Werkzeuge benötigen.  Die können dabei unmöglich aus einer Hand kommen und in einem einzigen System verbunden werden. Die PLM-Systemfrage ist deshalb auch immer damit verbunden,  wie man das Zusammenspiel der IT-Komponenten gestaltet. Welche Rolle spielen heute und in  Zukunft Standards, Offene Schnittstellen, Open Source, SOA, Mash-Ups, das Web und Cloud Computing?

PLM ist ein weites Feld und bietet – immer noch und mehr denn je – Raum für Diskussion, die geführt werden sollten. Hier wollen wir uns einmischen. Unser Hintergrund passt da ganz gut: Die Kollegen aus dem CONTACT Blogger-Team bringen reichlich Erfahrung aus der Praxis mit. Ansonsten greifen wir auch gerne auf die Meinungen andere zurück und wählen für den PLM-Blog Beiträge aus der internationalen Szene wie z.B. von Oleg Shilovitsky und seinem Blog beyondplm.com aus. Am meisten freuen wir uns aber auf Ihre Kommentare …!

Was ist Ihre Meinung? Wo steht PLM in den Unternehmen heute? Was sind die wichtigen Themen? Wo geht die Reise hin?

In diesem Sinne: Comments welcome!