Vor ein paar Monaten hat Oleg Shilovitsky den PLM-Herstellern und ihren Lösungen in einem Blog-Beitrag vorgeworfen, dass sie sich mit dem Nachweis des Return on Invest (ROI) traditionell schwer tun. Kein neuer Vorwurf und einer, der dem Problem nicht ganz gerecht wird. Es sind nämlich nicht nur die PLM-Hersteller, sondern auch die Anwender selbst, die sich damit schwer tun.
Viele Unternehmen scheuen den Aufwand für die Berechnung des ROI, gerade weil sie einen möglichst schnellen ROI erzielen möchten. Nur scheinbar ein Widerspruch: Um die Nutzeneffekte der Investition exakt messen zu können, müssten sie erst die bestehenden Prozesse und ihre Schwachstellen genau analysieren und Kennzahlen für die Messung von Verbesserungen definieren. Das kostet Zeit und Geld, insbesondere wenn externe Berater involviert sind, weshalb die Analyse des Ist-Zustands meist recht rudimentär ausfällt.
Manchmal sind die Nutzeneffekte des PLM-Einsatzes so offensichtlich, dass die Unternehmen glauben, sich den Analyseaufwand schenken zu können. Der Geschäftsführer eines Anlagenbauers mit mehr als 150 PLM-Anwendern, der gerade ein aufwendiges Migrationsprojekt hinter sich gebracht hatte, sagte mir neulich auf die Frage nach dem ROI: „Die Investition war definitiv notwendig. Wenn jeder meiner Mitarbeiter dadurch auch nur zehn Minuten Zeit am Tag spart und wir gleichzeitig die Neuanlage von Artikeln reduzieren, brauchen wir über den ROI nicht mehr zu reden.”
In anderen Fällen ist die PLM-Investition unerlässlich, um den wachsenden Nachweispflichten nachkommen zu können. Gerade Automobilzulieferer müssen ihre Entwicklungsprozesse und die Ergebnisse minutiös dokumentieren– sonst laufen sie Gefahr, keine Aufträge mehr zu bekommen. PLM ist dabei von strategischer Bedeutung; wie schnell sich diese Investition bezahlt macht, spielt deshalb eine untergeordnete Rolle.
Erschwert wird der Nachweis des ROI auch noch durch ein anderes Phänomen: Der breiter werdende Funktionsumfang der PLM-Anwendungen und ihre zunehmende Verzahnung mit anderen Unternehmensanwendungen führt zu immer mehr Nutzeneffekten, die sich nur schwer quantifizieren und nicht mehr klar zuordnen lassen. Wie will man zum Beispiel die Produktivitätszuwächse messen, die sich daraus ergeben, dass jüngere Mitarbeiter dank PLM einfacher auf das Erfahrungswissen ihrer Kollegen zugreifen können? Bei Großunternehmen mit vielen Kostenstellen ergibt sich zudem das Problem, dass die Nutzeneffekte nicht unbedingt dort entstehen, wo die Kosten anfallen und auch genehmigt werden müssen.
Es geht bei der Analyse der Nutzeneffekte aber nicht nur um die Rechtfertigung einer einmaligen Investition, sondern auch und vor allem um die Frage, wie sich mit Hilfe von PLM die Effizienz der Produktentwicklung nachhaltig steigern lässt. Dazu müssen entsprechende Prozesskennzahlen definiert und kontinuierlich verfolgt werden. Eigentlich kein Hexenwerk, da die Basisdaten in der PLM-Lösung meist schon vorhanden sind und nur verdichtet werden müssen. Wann eine Änderung beantragt und wann sie abgeschlossen wurde, erfasst das System zum Beispiel automatisch. Es ist mithin ein Leichtes, die Durchlaufzeiten von Änderungsaufträgen zu berechnen.
Wie in meinem letzten Blog-Beitrag zu lesen, sind viele Führungskräfte mit dem Nutzen ihrer bisherigen PLM-Investitionen unzufrieden. Das gilt insbesondere für den Nutzen, den sie für ihre Führungsaufgaben aus den PLM-Daten ziehen. Der Accenture-Surveys erlaubt eine positive und eine negative Interpretation: Erfreulich ist, dass sich die Führungskräfte der strategischen Bedeutung der PLM-Lösungen und der in ihnen steckenden Informationen bewusst sind. Bedauerlich hingegen, dass viele PLM-Hersteller es offensichtlich noch nicht geschafft haben, ihnen geeignete Werkzeuge für die Nutzung dieser Informationen an die Hand zu geben. Ein flexibles Kennzahlenmanagement und gute Reporting-Funktionen sollten heute zum Standardumfang jeder PLM-Lösung gehören.