Solche und solche PLM Strategien

In der RAAD PLM Studie 2010 gaben gut über die Hälfte (56 Prozent) der Unternehmen an, über eine PLM Strategie zu verfügen. Ich war in meiner Bewertung damals in diesem Blog etwas pikiert, denn diese Zahlen widersprechen Allem, was wir aus den meisten PLM Projekten kennen: Das Thema wird wichtiger, hat aber beim Management immer noch nicht den Stellenwert eines Top-Themas erreicht. Die neue RAAD Studie unter dem Thema  “PLM-Markt 2012: Integrierte Lösungen vs. offene Systeme” hat nun die gleiche Frage gestellt, sie aber ergänzt: “Existiert in ihrem Unternehmen eine ausformulierte, mit dem Management abgestimmte (sic!) PLM-Strategie? “. Das Ergebnis fiel diesmal deutlich anders aus. Insgesamt geben zwei Drittel der befragten großen Fertigungsunternehmen an, nicht über eine mit dem Management abgestimmte Strategie zu verfügen. Selbst jedes zweite Unternehmen mit PDM-Einsatz hat noch keine solche Strategie.

Meine Meinung: Es macht einen großen Unterschied, ob es sich um eine Strategie nur von Vordenkern und Vorkämpfern handelt, oder ob auch das Management voll und ganz dahinter steht. Der erste Fall gleicht dem Bohren dicker Bretter, bei dem auch noch der Bohrer zu kurz ist; und zwar unter anderem deshalb, weil die Ansprüche immer weiter zunehmen. Insbesondere die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit und die Kollaboration der unterschiedlichen Fachdisziplinen im Sinne des Systems Engineering erfordern weitreichende organisatorische und “kulturelle” Veränderungen. Ohne das Management als Bannerträger wird das nix. Manager: an die PLM-Front!

Wie arbeiten Ingenieure?

Gestern las ich im Magazin Impulse einen Beitrag von Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf, einem der Leuchttürme des deutschen Maschinenbaus. Natürlich betont sie, wie wichtig die Innovationsfähigkeit ist, um im weltweiten Wettbewerb  zu bestehen und welche entscheidende Rolle die Mitarbeiter dabei spielen.

Von der Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter einmal abgesehen, hilft ein optimales Arbeitsumfeld, um die richtigen Produkte zum richtigen Preis und Zeitpunkt liefern zu können. Hier stellt sich die Frage, was die Unternehmen selbst, die Hochschulen, die Berater und die IT Branche für ein optimales Arbeitsumfeld tun? Wissen wir eigentlich genauer, wie das Arbeitsumfeld der Ingenieure aussieht, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen? Dazu gibt es ernüchternd wenig verlässliche Daten und Zahlen.

Bei allem Hype um die jeweils neuesten Technologietrends bedeutet das: Wir rudern einigermaßen blind durch die Gegend, und dem Management in vielen Unternehmen fehlt immer noch die Motivation, um PLM als Strategiethema zu setzen.

Ein Beispiel: In welchem Umfang müssen sich die Teamleiter um das Projektmanagement kümmern? Könnte ein Projektbüro (Project Office) zumindest die Routineaufgaben nicht professioneller erledigen, so dass mehr Zeit für die Entwicklung selbst bleibt?

Im Grunde hat PLM fast nur mit Arbeitsorganisation zu tun. Noch einmal herausfordernder wird es im PLM Umfeld wegen der notwendigen Balance zwischen Kreativität und Management; mehr Organisation hilft also nicht per se. Für CONTACT ist das ein absolut wichtiges Thema. Wir haben deshalb zusammen mit dem VDI und dem Fraunhofer IPK, Berlin eine Studie ins Leben gerufen. Dazu Patrick Müller vom IPK, der die Studie wissenschaftlich begleitet: „Wir fragen nach dem Verhältnis zwischen kreativem und formellem Arbeitsanteil und hinterfragen anhand eines Bewertungsmodells die Kollaborationsfähigkeit im Unternehmen.“

Weitere Informationen zu der Studie und der Link zur begleitenden Online-Umfrage, die aktuell läuft und an der alle „Praktiker“ teilnehmen können, stehen auf der CONTACT Homepage.

Demnächst mehr, wenn die Ergebnisse vorliegen …

Alte Hüte, moderne Mützen

Man sollte meinen, das Thema PDM/ERP-Schnittstelle sei ein alter Hut, der an der PLM-Garderobe verstaubt. Ist aber nicht so. Es gibt immer noch Firmen, die Materialdaten und Stücklisten trotz PDM-Einsatz von Hand ins ERP-System eingeben. Und es sind nicht unbedingt die kleinsten – im Gegenteil: Manchmal hat man den Eindruck, als mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauer, was die IT-technische Verzahnung von Einkaufs-, Entwicklungs- und Fertigungsprozessen angeht, weiter als manches Großunternehmen. Zumindest gehen Mittelständler das Thema pragmatischer an: Viele haben im Zuge der PDM/ERP-Integration ohne lange Diskussionen entschieden, dass Materialstämme und Stücklisten im PDM-System „erfunden“ werden. Und siehe da, es funktioniert.

Interessanterweise ist das Thema PDM/ERP-Integration selbst für Unternehmen, die bereits ein hohes Maß an Prozessdurchgängigkeit erreicht haben, aktueller denn je. Um die wachsende Zahl von kundenspezifischen Aufträgen mit tendenziell kleiner werdenden Losgrößen flexibler durch den Produktionsprozess zu schleusen, benötigen sie umfassendere Schnittstellen-Funktionen, die es erlauben, die Informationen in beiden Systemwelten kontinuierlich zu synchronisieren und nach Möglichkeit in Echtzeit auf sie zuzugreifen. Ein heißes Eisen ist in diesem Zusammenhang das systemübergreifende Änderungs-Management, denn es geht darum, einen stringenten und sicheren Prozess von der ersten Bedarfsmeldung für eine technische Änderung bis zur Umsetzung in der Produktion zu gewährleisten.

Neue Anforderungen ergeben sich auch durch den Ausbau der PDM-Systeme zu umfassenderen PLM-Lösungen, mit denen zum Beispiel die Entwicklungsaufgaben verteilt und terminiert, die Aufwände erfasst und die Arbeitsfortschritte kontrolliert werden. Um Projekte von der Angebotserstellung bis zur Auslieferung durchgängig steuern zu können, muss die Auftragsverwaltung im ERP-System mit dem Projekt-Management der PLM-Lösung verknüpft werden, insbesondere was den Abgleich von Cost und Work Breakdown Structures anbelangt. Hersteller von variantenreichen Produkten, die mögliche Produktkonfigurationen PLM-seitig definieren, benötigen die hinterlegten Regeln auch für die Erzeugung der auftragsspezifischen Stücklisten im ERP-System. Das heißt mit anderen Worten, dass zwischen beiden Systemwelten mehr Informationen als bisher ausgetauscht und bei Änderungen synchronisiert werden müssen..

Sowohl die Unternehmen, als auch die Softwarehersteller und ihre Systemintegratoren treiben einen erheblichen Aufwand, um dieses Mehr an Funktionalität in proprietären Schnittstellen abzubilden. Dabei wird das Rad oft neu erfunden. Mit Blick auf die Gesamtkosten für Anschaffung, Betrieb und Wartung der Integrationslösungen ist dieser Aufwand eigentlich nicht zu rechtfertigen. Wir brauchen mehr Standardisierung, nicht im Sinne einer PDM/ERP-Integration von der Stange, sondern in Form von Best Practices und standardisierten Schnittstellen-Funktionen, die sich entsprechend den Prozessanforderungen des Kunden und den Möglichkeiten der eingesetzten PDM- und ERP-Systeme einfach konfigurieren lassen. Das Forschungsinstitut für Rationalisierung der RWTH Aachen hat deshalb zusammen mit Partnern aus Verbänden und der Industrie ein Forschungsprojekt gestartet, das die Produktionssysteme durch Integration der IT-Strukturen und Dezentralisierung der Produktionssteuerung und -planung wandlungsfähiger machen soll. Gefördert wird das WInD-Projekt von Bundesministerium für Forschung und Bildung. Ein wichtiges Teilprojekt ist die Schaffung prozessorientierter Standard-Schnittstellen, sowohl zwischen ERP- und PDM-, als auch zwischen ERP- und MES-Systemen.