In Minuten zur Designentscheidung – Wie KI die Produktentwicklung unterstützt

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde und spielt auch in der Produktentwicklung eine immer größere Rolle. Doch wie lässt sich diese Technologie sinnvoll in Entwicklungsprojekte integrieren? Gemeinsam mit unserem Kunden Audi haben wir die Probe aufs Exempel gemacht und die Potenziale und Herausforderungen einer Machine Learning (ML)-Anwendung – als Teilbereich von KI – an einem realen Projekt untersucht. Für den Einsatz wählten wir ein Crash-Management-System (CMS). Es ist einerseits einfach genug, um ein nutzbringendes Ergebnis zu erreichen und gleichzeitig kompliziert genug, um die generelle Anwendbarkeit der der ML-Methode hinreichend zu testen.

Fachwissen als Schlüssel

ML lässt sich nur insoweit sinnvoll nutzen, wie es die zugrundeliegende Datenbasis erlaubt. Deshalb spielt das Know-how der beteiligten Fachleute eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel geben Konstrukteurinnen und Konstrukteure ihr Wissen über Fertigungs- und Bauraumbeschränkungen, verwendbare Materialien und Abhängigkeiten in das CAD-Modell. Berechnungsingenieure und -ingenieurinnen teilen ihr Wissen über den Simulationsprozess und die Data Scientists unterstützen beim Sampling und der Auswertung.

Die Erstellung tausender Design- und korrespondierender Simulationsmodelle, wie sie für den Einsatz von Machine Learning (ML) erforderlich ist, stellt ohne Automatisierung eine enorme Herausforderung dar. Die FCM CAT.CAE-Bridge, ein speziell entwickeltes Plug-In für CATIA, ermöglicht eine nahtlose Automatisierung über alle Prozessschritte hinweg. Darüber hinaus verankert sie alle Informationen für die Simulation (Material, Eigenschaften, Solver und viele weitere) bereits im CAD-Modell. Die vollautomatische Übersetzung in ein Simulationsfile erfolgt dann mit Tools wie ANSA oder Hypermesh.

Automatisierter Prozess: Sampling, DoE, Modellerstellung, Simulation, Auswertung mit anschließendem Training der ML-Modelle. (© CONTACT Software)

Präzise Verknüpfung von Parametern und Ergebnissen

Unser Ansatz gewährleistet, dass die Beziehung zwischen dem CAD-Modell und dem Simulationsmodell vollständig erhalten bleibt. Die automatisierte Berechnung und Auswertung der Modelle auf die spezifischen Ergebnisse hin schafft eine sehr gute Datengrundlage für den ML-Prozess. Die Vektoren aus Eingabeparametern mit korrespondierenden Ergebniswerten stellen die Basis für den ML-Ansatz – eindeutig und umfassend.

Basierend auf eingegrenzten Ergebnisvektoren (rot) gefundene Inputparameter (blau), die die Anforderungen erfüllen. (© CONTACT Software)

Auf den damit trainierten Modellen und der darin bekannten Genauigkeit lassen sich dann schnell Parametervariationen durchspielen und die Auswirkung auf das Verhalten ableiten, buchstäblich in Minuten. Sobald die optimalen Parameter identifiziert sind, werden diese automatisch in das CAD-Modell übertragen und der Designprozess kann fortgesetzt werden.

Fazit

Unser Projekt hat gezeigt, dass ML eine valide Methode für das Design-Engineering ist. Die Kombination aus parametrischen CAD-Modellen, Simulation und Machine Learning bietet eine effiziente Herangehensweise, um Designentscheidungen schnell und präzise zu treffen. Voraussetzung dafür liegen in einer robusten Datenbasis und in der Zusammenarbeit der relevanten Know-how-Träger am Modell. Die guten Ergebnisse aus dem Audi-Projekt zeigen das Potenzial unseres datenbasierten Ansatzes für die Produktentwicklung.

Wie intuitive CAE-Apps die Produktentwicklung beschleunigen

Zunehmend komplexere Produkte immer schneller auf den Markt zu bringen, stellt Unternehmen heute vor vielfältige Herausforderungen. Besonders der Mangel an verfügbarem Spezialwissen von Simulationsexpert:innen im Bereich des Computer-Aided Engineering (CAE) bremst die Produktentwicklung häufig aus. Niedrigschwellige CAE-Anwendungen können hier Abhilfe schaffen und die Art und Weise, wie Produkte entwickelt und optimiert werden, maßgeblich verbessern.

Isoliertes Fachwissen als Flaschenhals in der Produktentwicklung

Simulationstechnologien bieten enormes Potenzial für die Produktentwicklung. Die tägliche Praxis zeigt aber, dass es immer noch mit erheblichem organisatorischem Aufwand verbunden ist, vermeintlich einfache Fragestellungen über eine Simulation zu beantworten. Häufige Beispiele dafür sind, die Auswirkungen einer Materialänderung auf das Deformationsverhalten eines Bauteils oder die funktionalen Konsequenzen geringfügiger Änderungen der Bauteilgeometrie aus Fertigungsgründen.

Komplexe Fragestellungen erfordern den Austausch zahlreicher Informationen zwischen den beteiligten Prozessparteien. Beispiele hierfür sind die Bereitstellung von aktuellen CAD-Ständen seitens der Konstruktion oder die Rückführung von vorliegenden Versuchsergebnissen in die Simulation. Zudem sind relevante Entscheidungstermine und verfügbare Simulationskapazitäten zu berücksichtigen. Die Durchführung und Auswertung der Simulation erfordern meist spezialisiertes Fachwissen, das häufig in Expertengruppen isoliert und nur begrenzt verfügbar ist.

Expertenwissen unternehmensweit zugänglich machen

Ziel sollte es also sein, die Hürden für die Nutzung von Simulationstechnologien abzubauen, um sie einer breiten Anwendergruppe – unabhängig von ihrer technischen Expertise – zugänglich zu machen. Der Weg dahin kann als „technische Demokratisierung der Simulation“ bezeichnet werden. Er besteht darin, vorhandenes Fachwissen in intuitiv bedienbare CAE-Anwendungen zu integrieren und diese unternehmensweit anhand eines CAE-Business-Layers allen Anwender:innen bereitzustellen.

In drei Schritten zum CAE-Business-Layer:

  1. Analyse
    Am Anfang erfolgt eine gründliche Bestandsaufnahme der vorhandenen CAE-Prozesse im Unternehmen. Dies hilft, die wichtigsten Prozesse anhand ihrer Anwendungsrelevanz zu identifizieren und nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip zu entscheiden, welche sich für die Entwicklung einer CAE-Applikation eignen.
  2. Standardisierung
    Im nächsten Schritt folgt die Standardisierung der identifizierten CAE-Prozesse, wobei das Fachwissen der Berechnungsingenieur:innen gefragt ist. Die Anforderungen an die Inputgrößen des CAE-Fachprozesses, wie zum Beispiel erforderliche Parameter und Daten sowie der gewünschte Output aus dem CAE-Prozess, werden dabei klar beschrieben. Da Simulationsprozesse in der Regel ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Softwaretools sind, liegt besonderes Augenmerk auf die Fehlerbehandlung bei potenziell auftretenden Problemen während des laufenden Prozesses.
  3. Automatisierung
    Anschließend erfolgen die Entwicklung und die Implementierung der CAE-Applikation im Unternehmen. Die Bereitstellung auf einer im gesamten Unternehmen verfügbaren Softwareplattform, die auch die für den Prozess erforderlichen und entstehenden Daten hostet, gewährleistet dabei eine umfassende Nachvollziehbarkeit.

Sukzessive entsteht so ein CAE-Business-Layer, der die CAE-Applikationen vereint.

Dashboard mit CAE-Apps in CONTACT Elements (© CONTACT Software)

Bedenken und Chancen

Der breite Zugang zu Simulationstechnologien bedeutet nicht, dass jede:r gleich Experte oder Expertin wird, sondern dass Anwender:innen durch komplexe Prozesse geführt werden. Ein integriertes Fehlerhandling reagiert dabei auf Fehleingaben oder Abweichungen bei den erwarteten Daten. Die Erfahrung zeigt, dass Expertenfähigkeiten und Simulationsfachwissen nicht abgewertet werden. Im Gegenteil: Erfahrene Ingenieur:innen, die über viel Praxis und methodisches Know-how verfügen, bleiben unersetzlich. Durch die generelle Nutzung können sie sich anspruchsvolleren Aufgaben widmen, Entscheidungsprozesse begleiten oder sich auf die Weiterentwicklung der Simulationsmethoden konzentrieren.

Fazit: Niedrigschwellige CAE-Anwendungen vereinen Effizienz und Innovation

Die unternehmensweite Bereitstellung benutzerfreundlicher CAE-Applikationen markiert eine Möglichkeit, Simulationsmethoden noch früher und konsequenter in der Produktentwicklung zu etablieren. Mehr Anwender:innen sind in den Entwicklungsprozess mit eingebunden, Ressourcen können besser genutzt, Innovationen effizienter vorangetrieben und so bessere Produkte in kürzer Zeit zur Marktreife gebracht werden. Gleichzeitig ermöglichen sie es den Simulationsexpert:innen, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu fokussieren.