Digitalisierung für die hohe See

Die Sonne scheint in Hamburg, die milde Herbstluft ist in Bewegung. Dabei hatte ich mich perfekt für Regenwetter ausgerüstet. In einem Konferenzhotel direkt am Hafen versammeln sich Anfang Oktober Schiffbauer aus aller Welt zum CADMATIC Digital Wave Forum. Das User Meeting lädt ein, CADMATICs CAD-Anwendung für den Schiffbau zu erleben und aus erster Hand von aktuellen Trends, Produkterweiterungen und Neuentwicklungen zu erfahren. Das Highlight: CADMATIC Wave, eine integrierte CAD-PLM-Lösung speziell für den Schiffbau, die CADMATIC zusammen mit CONTACT entwickelt.

Modellvisualisierung vereinfacht Datensuche und Zusammenarbeit

Nach dem ersten Kaffee sortieren wir uns allmählich in den Konferenzsaal, der Vormittag ist gefüllt mit Zahlen und Fakten rund um CADMATICs Digitalisierungsstrategie. Am Nachmittag präsentiert unser Geschäftsführer Maximilian Zachries den rund 200 Teilnehmenden CADMATIC Wave. Wir demonstrieren erste Funktionalitäten des integrierten Produktdatenmanagements (PDM) und sehen einige gezückte Telefone, um schnell ein Foto von der Neuerung zu machen. Ich bin etwas aufgeregt, jetzt ist es offiziell. Jetzt muss auch das Datenmodell her. Und das ist gar nicht so einfach.

Cadmatic's Atte Peltola introduces the audience to Cadmatic Wave

Atte Peltola von CADMATIC präsentiert CADMATIC Wave. (© CADMATIC)

Der Ruf aus allen Ecken nach einem Datenmodell für den Schiffbau trägt mich durch die drei Hamburger Tage. In meinen Gesprächen auf der Konferenz wird deutlich, dass die Informationen, die im Schiffsentstehungsprozess benötigt und erzeugt werden, am Modell verortet werden können müssen. Modellzentriert also: die Schiffsgeometrie wird inklusive Equipment, Ausstattung und Logistik visualisiert. Über die einzelnen Teile des Modells lassen sich Informationen abrufen und hinzufügen. Modellvisualisierungen ermöglichen für alle beteiligten Gewerke eine gemeinsame und intuitive Sicht auf das Schiff und vereinfachen unter anderem die Informationssuche erheblich. So werden Engineering-Tätigkeiten und die Zusammenarbeit, auch mit Partnern, effizienter.

Datenmodell auf Basis der Schiffsgeometrie birgt Herausforderungen

Als ich mich mit einem Mitarbeiter der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) unterhalte, stellt sich uns allerdings die Frage: Ist die geometrische Form überhaupt geeignet, um darüber eine generische Produktstruktur für die Datenhaltung im PDM zu generieren? Als Platzhalter in einem Datenmodell gibt es in so einem Schiff immerhin ziemlich viele Orte. Und ich nehme das hier mal vorweg: Datenmodelle organisieren sich normalerweise über die Prozesse in der Produktentstehung und nicht über die Geometrie eines Schiffsmodells. Ich bin gespannt, wie wir diese Herausforderung in CADMATIC Wave lösen werden.

Die Abendveranstaltung findet auf der Cap San Diego statt, einem Museumsschiff im Hamburger Hafen. Das rustikale Flair eines Schiffsbauchs und ein reichlich gedecktes Buffet schaffen eine gemütliche Atmosphäre für angeregte Unterhaltungen. Ich führe Gespräche über das Leben in Finnland und Norwegen und über den Unterschied zwischen Informations- und Datenmanagement. Der Abend endet stürmisch und regnerisch, endlich kommt meine Regenausrüstung zum Einsatz und ich komme trocken und warm ins Hotel zurück.

SEUS hebt europäischen Schiffbau auf die nächste Effizienzstufe

Auf dem CADMATIC Digital Wave Forum treffe ich auch zum ersten Mal meine Konsortialpartner aus dem Projekt Smart European Shipbuilding (SEUS). Darunter neben Vertreter:innen der NTNU und von CADMATIC auch Mitarbeitende von zwei Werften, der norwegischen Ulstein Group und der spanischen Astilleros Gondan SA. SEUS ist ein EU-gefördertes Forschungsprojekt mit dem Ziel, eine integrierte CAD- und PLM-Lösung für den Schiffbau zu entwickeln. Dabei wollen wir noch über die Funktionalitäten hinausgehen, die wir in CADMATIC Wave entwickeln. Beispielsweise mit einem Knowledge Management und der Nutzung von KI für die Suche innerhalb von Produktdaten.

In diesem Zusammenhang spielt uns die breite Aufstellung unserer Forschungsabteilung CONTACT Research in die Hände. Einerseits forschen wir in der Research Area Digital Lifecycle Management an Digitalisierungsstrategien für verschiedene Branchen. Andererseits zählt auch Künstliche Intelligenz zu unseren Forschungsschwerpunkten. Mit der KI-Produktdatensuche, wie wir sie in SEUS implementieren wollen, können wir also unser selbst auferlegtes Credo „Bringing artificial intelligence into the engineering domains“ mit Leben füllen.

Drei Tage in Hamburg gehen zu Ende und es bleiben drei starke Eindrücke:

  1. Es ist notwendig, ein abstraktes Datenmodell für den Schiffbau zu entwerfen. Eines, das im Kern die Module eines Schiffes enthält und dennoch auf die speziellen Bedürfnisse jedes Schiffbauers angepasst werden kann. Dieses Datenmodell muss eng mit dem Entwicklungsprozess verknüpft sein.
  2. Der persönliche Austausch und das persönliche Kennenlernen sind für mich in diesem mir neuen Arbeitsbereich eine bereichernde Erfahrung. Und dieses positive Gefühl motiviert mich weiter in meiner Arbeit im SEUS-Projekt.
  3. Regensachen sind in Hamburg Pflicht.

So profitiert das ganze Unternehmen von PLM

Die Vorteile eines PLM-Systems über die Produktentwicklung hinaus

Für Unternehmen mit komplexen Produktportfolios ist es essenziell, Kosten von der ersten Kundenanfrage bis zum Abschluss des Auftrags korrekt zu kalkulieren. Genauso wichtig ist es, Produktion und Entwicklung standortübergreifend zu koordinieren und dabei auch die Lieferanten einzubeziehen.

Mit einem integrierten PLM-System meistern Unternehmen diese Herausforderungen. Seine Funktionsmodule und Schnittstellen ermöglichen es, Prozesse abteilungsübergreifend effizient auszurichten, komplexe Zusammenhänge schneller zu erfassen und die Markteinführungszeiten für Produkte deutlich zu verkürzen.

Erfahren Sie, welchen Mehrwert ein PLM-System Ihnen über die Entwicklungsabteilung hinaus bietet:

Produktkostenmanagement

Entwicklungsbegleitendes Produktkostenmanagement kalkuliert Produktkosten schnell und verlässlich. Es erleichtert die Preisfindung und die Einhaltung von Budgets.

Eine zuverlässige Absatzplanung ist für die Produktentwicklung wesentlich. Um wettbewerbsfähige Produkte anzubieten, muss möglichst früh feststehen, was diese kosten werden und was sie kosten dürfen.

Die Preisfindung ist häufig ein Balanceakt. Liegen die Preise über dem marktüblichen Schnitt, benötigen Anbieter dafür gegenüber Kunden einen schlüssigen Grund. Um angemessene Deckungsbeiträge zu erzielen, dürfen Angebote aber auch nicht zu niedrig sein. Ändern sich aufgrund neuer Kundenwünsche dann noch Rahmenbedingungen wie Materialkosten oder Fertigungsschritte, führt das häufig zu Problemen.

Der Grund dafür ist, dass Kennzahlen meist in den IT-Systemen des Controllings oder Rechnungswesen entstehen. Die Produktentwicklung, die zu mehr als 80 Prozent für die später anfallenden Kosten verantwortlich ist, bleibt bei diesem Prozess außen vor. Informationsabgleich und -austausch sind nicht digital synchronisiert und daher sehr aufwändig und fehleranfällig. Das Einhalten von Projektbudgets wird so zu einer Fahrt auf Sicht in dickem Nebel.

Wie lösen Unternehmen dieses Problem?

Ein integriertes Produktkostenmanagement hilft, die Produktentstehungskosten bereits in den frühen Entwicklungsphasen treffsicher zu kalkulieren. Achten Sie daher bei der Auswahl eines PLM-Systems auf ein Product-Costing-Modul mit anpassbaren Kalkulationsschemata. So lassen sich Produktlinien parallel berechnen. Projektbudgets halten Sie durch eine entwicklungsbegleitende Kostenerfassung verlässlich ein.

Für die Kalkulation von Produktvarianten sollten auch Kolleg*innen außerhalb der Produktentwicklung auf die Entwicklungsstückliste zugreifen können. PLM-Systeme ermöglichen dies mit Rollenkonzepten im Zugriffsrechtemanagement. So stellen Sie frühzeitig die Weichen, um die angestrebte Gewinnspanne zu erreichen. Anhand unterschiedlicher Absatzmengen ermitteln Sie den optimalen Preis und erhöhen auf diese Weise die Produktrentabilität.

Von einem entwicklungsbegleitenden Kostenmanagement profitieren:

Controlling: Ihr Controlling greift direkt auf Kalkulationsschemata und Produktkostenberechnungen der Entwicklung zu und trifft entsprechende Vorgaben. So halten Sie Produktrentabilität und Deckungsbeiträge ein, erhöhen die Wirtschaftlichkeit und steuern Ihr Unternehmen zielgenau.

Vertrieb: Die schnelle, sichere Berechnung von Varianten (zum Beispiel für angefragte Materialalternativen) beschleunigt die Angebotsphase. Ihr Vertrieb kann Angebote dadurch auch kurzfristig zur Verfügung stellen.

Einkauf, Materialwirtschaft und Logistik: Ihr Unternehmen hält mehrfach angefragte und verbaute Teile in größeren Mengen auf Lager. Dies reduziert die Beschaffungskosten. Das Materialwesen kann Materialalternativen hinsichtlich steigender Nachhaltigkeitsaspekte vorausschauend in angemessener Anzahl vorhalten.

Produktentwicklung: Die Kosten für die Ermittlung der Projektwirtschaftlichkeit steuern Sie entsprechend des tatsächlichen Bedarfs, nicht aufgrund fiktiver Vorgaben des ERP-Systems. So lassen sich Projektkosten realistisch planen und Budgets einhalten. Die fortlaufende Kostenerfassung im Projekt ermöglicht es, die erwarteten Arbeitsaufwände direkt im „Work-Breakdown“ (d. h. im Projektstrukturplan) zu dokumentieren und diese mit dem „Cost-Breakdown“ abzugleichen. So behalten Ihre Entwickler*innen mit Projektkosten-Reports immer den Überblick.

Anforderungs- und Variantenmanagement

Mit einem effektiven Anforderungs- und Variantenmanagement sind Kundenanforderungen schneller umgesetzt, Varianten im Handumdrehen konfiguriert und Innovationen früher am Markt.

Kundenanforderungen nehmen in der Menge und im Detailgrad der Spezifikationen stetig zu. Mit der wachsenden Anzahl von Produktvarianten steigt auch die Produktkomplexität. Ohne ein Anforderungsmanagement, das den Produktlebenszyklus begleitet, ist schnelle und effiziente Entwicklung kaum mehr möglich – geschweige denn Methoden zur Unterstützung interdisziplinärer Zusammenarbeit wie Model-based Systems Engineering (MBSE).

Die steigende Variantenvielfalt kann die Wirtschaftlichkeit von Beschaffung, Fertigung und Qualitätssicherung reduzieren. Bereits kleine Losgrößen erlauben bei herkömmlichen Vorgehensweisen keine Skaleneffekte und somit keine Kostensenkungen.

Wie lösen Unternehmen dieses Problem?

PLM-Software mit integriertem Anforderungsmanagement (auch: Requirements Management) erleichtert es, Produkte schneller und gemäß den Kundenanforderungen zu entwickeln. Unternehmen dokumentieren die Anforderungen über den gesamten Lebenszyklus und können sie einfacher erfassen und bearbeiten. Zusammenhänge zwischen den Anforderungen sind im digitalen Produktmodell visualisiert. Der Erfüllungsgrad ist lückenlos nachverfolgbar.

Ein integriertes Variantenmanagement ermöglicht es, Produktportfolios strategisch auszurichten und den Aufwand für die Variantenkonfiguration zu minimieren. Mit merkmal- und regelbasierten Variabilitätsmodellen bauen Unternehmen zielsicher Plattformen und Produktbaukästen auf, begrenzen die Variantenvielfalt, reduzieren Wildwuchs und managen ihr Portfolio sowohl kostengünstig als auch effizient.

Zudem sorgt die digitale Daten- und Prozessorganisation des PLM-Systems für eine weitgehend automatische Dokumentation. Dies vereinfacht die Erfüllung von Compliance-Auflagen erheblich.

Von integriertem Anforderungs- und Variantenmanagement profitieren außerdem:

Vertrieb, Produktentwicklung & -management: Der Vertrieb reagiert schneller auf Kundenanfragen und kann neue oder geänderte Anforderungen direkt im PLM-System erfassen. Produktmanagement und Produktentwicklung können diese Anforderungen einfach bearbeiten und deren Umsetzung entwicklungsbegleitend nachverfolgen. Das verkürzt Lieferzeiten und erhöht die Innovationsproduktivität.  

Variantenmanagement ermöglicht den zielsicheren Aufbau von Produktportfolios, ausgerichtet auf die Marktnachfrage. Abteilungsübergreifend verbindet das Unternehmen so Kundenorientierung mit effizienter Wertschöpfung. Dabei helfen u. a. intelligente Prozessmuster-/Lieferstrategien wie CTO+ (Configure-to-Order in Verbindung mit Engineer-to-Order).

Der Plattformansatz und die Produktbaukästen schaffen die Basis für ein kostengünstiges, effizientes Portfolio. Darüber hinaus erleichtern PLM-Systeme die Konformität mit der Unternehmensstrategie sowie die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen.

Unternehmen können ihre Produkte auch in Losgröße 1 wirtschaftlich entwickeln und Innovationen für neue Marktchancen oder Geschäftsfelder schneller umsetzen. Möglich wird dies durch die Wiederverwendung bestehender Variabilitätsmodelle, hinterlegt im PLM-System, sowie intuitive Konfigurationsoptionen.

Variantenvielfalt wirksam begrenzen: Das Zusammenspiel von Maximalstückliste (auch: 150%-Stückliste) und Regelwerken vermeidet die Ausprägung unwirtschaftlicher Varianten. Über ein PLM-System mit integriertem Variantenmanagement können Sie Ihr Portfolio strukturiert steuern.

Produkt-, Qualitäts- und Compliance-Management: Dank automatischer, lückenloser Dokumentation sind Design-Entscheidungen auch Jahre später noch genau nachvollziehbar. Compliance-Auflagen gegenüber Auftraggebern und Behörden erfüllen Sie mit weniger Aufwand.

Einkauf, Materialwirtschaft und Logistik: Häufig verbaute Teile stehen mit verschiedenen Materialalternativen und in größeren Mengen im Lager zur Verfügung. Dies reduziert die Beschaffungskosten. Unternehmen verbessern ihre Wirtschaftlichkeit, verkürzen Lieferzeiten und erhöhen die Kundenzufriedenheit.

Cloud PLM hat Vorteile für alle Fachbereiche im Unternehmen.

Fazit: PLM-Systeme helfen dem gesamten Unternehmen

PLM-Systeme sorgen für eine durchgängige Verfügbarkeit konsistenter Daten entlang des Digital Thread (digitalen roten Fadens). Unternehmen verbessern die Zusammenarbeit innerhalb der Produktentwicklung, aber auch über Abteilungsgrenzen hinweg bis in die Lieferkette.

Als zentrale Datenquelle (Single Source of Truth) mit IT-gestützten Steuerungsinstrumenten für die Zusammenarbeit verkürzen PLM-Lösungen Markteinführungszeiten deutlich. Zugleich minimieren sie die Aufwände für die Angebotserstellung sowie die Einhaltung von Kunden- und Gesetzesvorgaben.

Wer die Komplexität seines Produktportfolios mit einem PLM-System beherrschen will, muss dafür keinen hohen Administrationsaufwand in Kauf nehmen. Cloud-basierte Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) stellen vorkonfigurierte, standardisierte Funktionsmodule out-of-the-box bereit. Dank der nutzerfreundlichen No-Code-Umgebung können Ihre Fachabteilungen die Software ohne spezielle IT-Kenntnisse selbstständig einrichten.

Da Ihr Unternehmen keine eigene Hardware-Infrastruktur aufbauen und warten muss, entlasten Sie darüber hinaus Ihre IT-Abteilung. Updates und Backups werden automatisch installiert. Manuelle Eingriffe sind nicht notwendig. Die umfangreichen Sicherheitstechnologien in der Cloud bieten verlässlichen Schutz vor Cyberattacken und verhindern unerlaubte Zugriffe auf sensible Daten.

Vorteile von SaaS PLM auf einen Blick:

  • Aufbau und Management komplexer Produktportfolios
  • Systematisches, entwicklungsbegleitendes Produktkostenmanagement 
  • Durchgängiges Anforderungsmanagement entlang des Produktlebenszyklus
  • Regelbasiertes Variantenmanagement
  • Einführung von Methoden zur Unterstützung effektiver interdisziplinärer Zusammenarbeit in der komplexen Projektarbeit
  • Schnelle Reaktionszeiten
  • Entlastung von personellen Ressourcen in Zeiten von IT-Fachkräftemangel
  • Hohe Ausfall- und IT-Sicherheit

Nutzen Sie jetzt die Vorteile Cloud-basierter PLM-Software: CIM Database Cloud ist die Lösung für eine durchgängig digitale Produktentwicklung. Mit „Innovate“ bringen Sie Neuerungen schneller auf den Markt und managen Ihre Produktportfolios effizienter.

Digitales Projektmanagement ist für kleinere und mittlere Unternehmen unverzichtbar. IT-Tools ermöglichen erfolgreiche Projekte trotz begrenzter Ressourcen, verbessern die Zusammenarbeit und senken Kosten. Entscheidend sind effizienter Datenaustausch, Verknüpfung von Projekt- und Produktdaten sowie leistungsstarke Funktionen für Projektmanagement und PLM – alles ohne Kostenexplosion.

Mehr dazu erfahren Sie in unserem White Paper.

Die Verwaltungsschale als Katalysator der Industrie 4.0

„Land der Dichter und Denker“ oder „Land der Ideen“: Deutschland ist sichtlich stolz auf seine Leistungen in Wissenschaft, Literatur und Ingenieurskunst. Und auf seine akribische Bürokratie, die auf absolute Präzision einer Aussage oder Angabe abzielt. In Kombination entstehen daraus bei der Benennung technischer Begriffe oft ungelenke Wortschöpfungen. Aktuelles Beispiel hierfür ist die Verwaltungsschale. Deren innovatives Potenzial und zentrale Bedeutung für die Industrie 4.0 lassen sich anhand des Begriffs nicht direkt erschließen.

Was ist eine Verwaltungsschale?

Die Verwaltungsschale ist eine standardisierte, vollständige digitale Beschreibung eines Assets. Es handelt sich um die sehr deutsche Übersetzung des englischen Begriffs Asset Administration Shell (AAS).

Ein Asset ist im Grunde alles, was sich als Teil einer Industrie 4.0-Lösung anschließen lässt. Zum Beispiel Maschinen und Anlagen oder Produkte sowie deren einzelne Komponenten. Die AAS enthält darüber sämtliche Informationen. In einer vernetzten Industrie ermöglicht sie den Austausch und die Interaktion zwischen unterschiedlichen Assets, Systemen und Organisationen.

AAS = Metamodell

Die Verwaltungsschale ist aktuell das Schlagwort in der Digitalisierung. Wie bei vielen neuen Themen gehen die Definitionen auch hier auseinander. Häufig sind sie recht weit gefasst. Von sehr konkret, wie der AAS als Umsetzung des Digitalen Zwillings für Industrie 4.0, bis hin zur lockeren Beschreibung der AAS als „Datenstecker“ oder „Integrationsstecker“ für digitale Ökosysteme.

Ich bevorzuge die Darstellung der Verwaltungsschale als ein Metamodel zur Selbstbeschreibung eines Assets. Mit diesem Metamodell lassen sich weitere Modelle erzeugen, um Informationen gesammelt bereitzustellen. Durch den Einsatz von Software werden diese Modelle dann zum „Leben erweckt“. Über Schnittstellen können Unternehmen sie anderen Stakeholdern (zum Beispiel Lieferanten oder Partnern) zur Verfügung stellen.

Konzept und Anwendung der Verwaltungsschale

Als digitales Abbild eines Assets stellt die Verwaltungsschale durch seine Teil- bzw. Submodelle Informationen oder Funktionen zu einem bestimmten Kontext bereit. Beispiele hierfür sind unter anderem

  • digitale Typenschilder,
  • technische Dokumente,
  • die Komponenten- beziehungsweise Asset-Struktur,
  • Simulationsmodelle,
  • Zeitreihendaten oder auch
  • nachhaltigkeitsrelevante Informationen wie der CO2-Fußabruck.

Die Daten entstehen entlang der verschiedenen Phasen des gesamten Lebenszyklus. Welche Informationen zu einem Asset von Bedeutung sind, hängt vom konkreten Wertschöpfungsnetzwerk ab.

So werden Submodelle in bestimmten Lebenszyklusphasen initial erstellt, in darauffolgenden Phasen konkretisiert, ausgeprägt und im weiteren Verlauf um Informationen angereichert oder aktualisiert. Dabei bezieht sich die Verwaltungsschale mal auf eine sehr generische (Typ) oder eine sehr konkrete (Instanz) Darstellung eines Assets. So, wie sich Assets über die Zeit verändern (as-defined, as-designed, as-ordered, as-built, as-maintained), verändert sich auch die Verwaltungsschale. Daher können für ein Asset im Verlauf des Lebenszyklus mehrere Verwaltungsschalen existieren.

Wie erfolgt der Informationsaustausch?

Um die Informationen in der Verwaltungsschale im Rahmen seines Wertschöpfungsnetzes zu nutzen, müssen diese zugänglich sein. Der Zugriff erfolgt meist über das Internet beziehungsweise über die Cloud (Repository-gehaltene AAS). Bei intelligenten Systemen kann die Verwaltungsschale auch Teil des Assets selbst sein (Asset-gehaltene AAS).

Der Informationsaustausch erfolgt auf verschiedenen Wegen:

  • Über Dateien, sogenannte AASX-Files (AAS Typ 1).
  • Über eine Server-Client-Interaktion, zum Beispiel via RestAPI (AAS Typ 2).
  • Mittels Peer-to-Peer-Interaktion (AAS Typ 3). Dabei bauen Verwaltungsschalen unter Anwendung der sogenannten I4.0-Sprache eigenständig Kontakt zueinander auf. Dies ermöglicht es, Aufgaben kooperativ durchzuführen.

Herstellerübergreifende Standards verbinden

Für welche Art der Verwaltungsschale man sich auch entscheidet: Wichtig ist, dass Empfänger und Bereitsteller dieselbe Sprache sprechen. Dafür muss der Austausch konkreter Informationsinhalte standardisiert sein. In Anbetracht der Menge an Branchen, Szenarien, Assets und Funktionen sind das immens viele Teilmodelle, die es zu standardisieren gilt.

Organisationen und Vereine wie die Industrial Digital Twin Association (IDTA), bestehend aus Forschungsinstituten, Industrieunternehmen und Software-Anbietern, nehmen sich dieser Mammutaufgabe an. Die rasant wachsenden Mitgliederzahlen sowie der rege Austausch auf Messen und Fachtagungen verdeutlichen den hohen Stellenwert für die Industrie. Hierbei gilt es, kleine und mittelständische Unternehmen nicht abzuhängen, sondern bestmöglich in die Standardisierungsarbeit einzubinden.

Wir treiben das Konzept der Verwaltungsschale voran

Die Verwaltungsschale ist Dreh- und Angelpunkt für erfolgreiche Industrie 4.0-Szenarien. Sie ermöglicht herstellerunabhängige Interoperabilität und vereinfacht die Integration aller Arten von Assets zu einem kollaborativen Wertschöpfungsnetzwerk. Sie steigert durch eine lückenlose Transparenz des Echtzeit-Zustands jedes Assets die Effizienz innerhalb der Produktionsprozesse. Und sie bietet darüber hinaus ein umfassendes Sicherheitskonzept zum Schutz der Daten.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Verwaltungsschale damit von einem theoretischen Konstrukt zu einer realen Praxisanwendung gewandelt. Gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie arbeiten wir als Mitglied der IDTA und im Rahmen der Forschungsprojekte ESCOM und Flex4Res daran, die Technologie in der industriellen Breite nutzbar zu machen.

Anwendungsfall kennenlernen

In CONTACT Elements for IoT können Sie Verwaltungsschalen Ihrer Assets anlegen, verwalten und teilen. Wie Unternehmen davon profitieren, lesen Sie in unserem Blogbeitrag „Die Verwaltungsschale in der Praxis“.