Der Digitale Zwilling und die Quantenphysik

Neue Themen wollen mit passenden Begriffen einsortiert werden. Sie machen das Kommunizieren effizient, weil der Absender im besten Falle nichts mehr großartig erklären muss.

Einigermaßen gelang das mit dem Begriff Product Lifecycle Management. Sie erinnern sich: „Von der Wiege bis zur Bahre“ usw. Aber wie die Deutschen so sind, gehen sie allem auf den Grund und noch tiefer. Anspruchsvolle Definitionsversuche gab es im Laufe der Jahre reichlich, die eher nicht weitergeholfen haben.

Geht das schon wieder los, dachte ich nun beim Lesen des Beitrags „The Digital Twin Theory“. Die Autoren zu den Anfängen ihrer Arbeit: Zum anderen reifte die Idee der „Digital Twin Theory“ während eines zufälligen Kontakts mit der Quantenphysik…: Aus Sicht der Quantenphysik befinden sich Elektronen an mehreren Orten gleichzeitig… Es erschien spannend zu prüfen, ob diese Eigenschaften auch für digitale Zwillinge angenommen werden können.“

OK, die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut, und Querdenker sind gefragt. Aber bitte nicht zu verquer. Das etwas nicht gleich falsch ist, reicht nicht, oder? Es sollte auch absehbar weiterhelfen.

Warum die Aufregung? Der Digitale Zwilling ist ein schönes, einfaches Bild, um die Potentiale hinter dem Internet der Dinge zu verstehen. Wäre schade, wenn das nach dem Motto „warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht“ drangegeben wird.

Und übrigens, die englische Wikipedia sagt: A digital twin is a digital replica of a … physical entity…


PLM ist tot – lang lebe PLM!

Credit: Sean McGrath, flickr.com
Credit: Sean McGrath, flickr.com

PLM hat im Laufe der Jahre nicht nur Freunde gewonnen. Weil man PLM nicht gut erklären kann, Projekte aus dem Ruder gelaufen sind und der PLM-Alltag – nun ja – anstrengend sein kann.

Man könnte meinen, der eine oder andere wechselt nun schon mal das Klingelschild mit der Aufschrift „PLM“. Bekannte PLM-Player reduzieren ihre Belegschaft, ziehen in die Cloud um und setzen scheinbar alle ihre Chips auf das Thema IoT: „Is PTCs CEO Jim Heppelmann Playing with Fire?

Passend dazu hat jetzt eine ProSTEP iViP Initiative das Thema unter dem Titel „Hat PLM im Zeitalter der Digitalisierung ein Zukunft“ aufs Korn genommen und dazu ein sehr lesenswertes Thesenpapier veröffentlich. Dies ist hier als PDF zugänglich. Unser Blog-Mitstreiter Michael Wendenburg ist einer der Autoren und hat das Thema mit seinem vorangegangenen Blog-Beitrag schon mal eröffnet.

Der Titel mag auf den ersten Blick nicht optimal sein, denn im Mittelpunkt stand ja eigentlich schon immer das virtuelle – also digitale – Produkt. Es geht darum, was passiert, wenn die Produkte selbst und ihre Verwendung durch die Kunden und Nutzer immer digitaler werden. Anhand von insgesamt 22 Thesen zeigen die Autoren, wie der PLM-Begriff im Zeitalter der Digitalen Transformation fortgeschrieben werden sollte. Auf den Punkt bringen sie es mit dem Schlagwort „Future PLM“.

Nun aber: Chefsache PLM

Meine Favoriten aus der Thesensammlung:

„Future PLM ist Chefsache.“ Eigentlich hätte das schon immer so sein sollen (was sollen wir als Lieferant auch anders sagen). Die gute Nachricht: jetzt wird es so kommen, denn die Prozessketten und Implikationen sind nochmal eine Größenordnung bedeutender.

„PLM-Architekturen machen nicht an der Unternehmensgrenze halt. Die Unterstützung der Kollaboration mit Joint Ventures, Entwicklungspartnern, Lieferanten von Systemen, Software und Services etc. ist eine Kernanforderung an die zukünftige PLM-Architektur.“

Eine Lanze für Offene Systeme

Weiter beleuchten die Autoren, wie sich Software und Systeme wandeln müssen: „Monolithische Systeme haben ausgedient.“  „PLM Systeme müssen offener werden.“ „Future PLM muss veränderbar sein … Künftige PLM-Architekturen müssen … flexibel an veränderte Prozesse und Organisationsstrukturen anpassbare Funktionsbausteine bieten.“

Und schließlich: „Future PLM muss kostengünstiger werden“. Den Seitenhieb kann ich mir dann doch nicht verkneifen: Das Papier zeigt ja sehr schön: die Ansprüche an das Management des Produktlebenszyklus wachsen noch einmal deutlich. Da gilt es, die Kosten egal ob aus Erwerb oder Subskription von PLM-Software im Vergleich zum Hebel für die Prozesse und Business Cases nüchtern ins Verhältnis zu setzen. Wie sagt der Schwabe: „Was nix kostet, ist nix“.

Fazit  

PLM ist tot – lang lebe PLM! Es geht nicht darum, die PLM-Idee zu begraben, sondern sie im Gegenteil konsequent zu Ende zu denken. Das erfordert gute Kommunikation in der Community und in den Unternehmen, um auf die neuen Herausforderungen mit tragfähigen innovativen Lösungen zu antworten, die auch auf den vorhandenen PLM-Fundamenten aufbauen. Sonst wird das eine wackelige Angelegenheit!