Mittlerweile blicke ich auf einige Jahre Beratung für Product Lifecycle Management zurück. Ein Thema, dessen Popularität im Laufe der Jahre deutlich schwankte und aktuell im Gefolge der Digitalen Transformation wieder stark im Aufwind ist.
Trotz der wieder steigenden Aufmerksamkeit für PLM bemerke ich, dass dem Begriff unverändert die Geschmacksnoten groß, schwerfällig, langwierig, unwirtschaftlich anhaften. Erstaunlich, denn der Aufwand, den viele Unternehmen beispielsweise in ERP-Projekte stecken, war und ist in den meisten Fällen deutlich höher. Dennoch werden Notwendigkeit und Nutzen von – teuren – ERP-Projekten zwar diskutiert, aber nur selten in Frage gestellt, siehe etwa Haribo und Lidl.
Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Wahrnehmung? Eine Erklärung könnte sein, dass sich der Nutzen von PLM für Management und Mitarbeiter in den Unternehmen über Jahre nicht ausreichend erschlossen hat. Das lag vor allem daran, dass Reichweite und Sichtbarkeit der PLM-Projekte in den Unternehmen oft sehr eingeschränkt war.
Ein genauer Blick zeigt, dass viele der früheren PLM-Einführungen in Wahrheit eher PDM-Einführungen waren. PDM, Produktdaten Management, konzentriert sich auf produktbeschreibende Daten, also in erster Linie CAD-Modelle und Zeichnungen. Damit beschränkte sich der „PLM“-Einsatz eher nur auf die Kernbereiche der Produktentwicklung, sehr oft sogar ausschließlich auf die Mechanik-Konstruktion. Obwohl meist schon seit Jahren in einigen PLM-Lösungen verfügbar, wurden z.B. Änderungsmanagement, Dokumentenmanagement, Projektmanagement, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit oder die Kommunikation mit Externen nicht genutzt. Stattdessen wurden oft vermeintlich „günstige“ Lösungen auf Basis von Excel, Outlook, dem Dateisystem oder Sharepoint in Eigenregie erstellt. Werkzeuge, die jeder im Unternehmen kennt. Und für die sich meist schnell jemand findet, der diese Tools per Makroprogrammierung „optimiert“. Geschürt wurde die ablehnende Haltung gegenüber PLM dabei sicher auch durch die überfrachteten, hochverdichten „Ingenieurs-Benutzeroberflächen“ der 1. und 2. PLM-Produktgeneration.
Da überrascht es nicht, dass PLM im Unternehmen als teure, wenig Nutzen stiftende und exotische Anwendung gesehen wurde.
In der aktuellen PLM-Renaissance haben die Unternehmen jetzt alle Chancen, aus den Defiziten der Vergangenheit zu lernen und die mittlerweile beeindruckenden Potenziale des Product Lifecycle Managements zu nutzen. Viele veraltete und abgekündigte PDM- und PLM-Lösungen werden aktuell oder demnächst gegen moderne PLM-Plattformen der 3. Generation ausgetauscht, die zudem auch die Anwendungsfälle rund um den Digitalen Zwilling und im Internet der Dinge unterstützen. Sie füllen die PLM-Idee mit Leben, indem sie die Prozesse über die Phasen, Fachbereiche und Unternehmensgrenzen hinweg effektiv und effizient begleiten. Dabei erhöhen neue, webbasierte HTML-5 Benutzeroberflächen die Akzeptanz bei allen Benutzergruppen im Unternehmen deutlich, indem sie auch komplexe Zusammenhänge übersichtlicher und im Handling performanter machen.
Jetzt besteht die Chance, „echtes“ Product Lifecycle Management zu verwirklichen! Vor dem Hintergrund neuer, digitaler Geschäftsmodelle, die die Nutzungsphase von Produkten viel stärker in den Vordergrund rücken, wird dies umso wichtiger. PLM-Lösungen fällt hier eine zentrale Bedeutung zu, denn sie legen den Grundstein für die Daten rund um den Digitalen Zwilling.
Aber am Ende zählen auch harte Fakten, wenn es um den Nutzen und RoI geht: Wird PLM tatsächlich mit all seinen Möglichkeiten unternehmensweit genutzt, ergeben sich schnell hohe Skaleneffekte durch die deutliche Minimierung von nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten. Dies allein ermöglicht oft schon einen Return on Investment nach gut einem Jahr. Unbenommen der zusätzlichen Umsatzpotenziale aus neuen, datengetriebenen Geschäftsmodellen, die PLM zukünftig ermöglichen wird.
Ein Gedanke zu „20 Jahre PLM: Warum zweifeln Viele noch immer am Nutzen?“