Scope-3-Emissionen: Eine Herausforderung für Unternehmen

Durch Treibhausgase (THG) verursachte Emissionen zu reduzieren ist entscheidend im Kampf gegen den Klimawandel. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass indirekte Emissionen in ihrer Wertschöpfungskette, sogenannte Scope-3-Emissionen, oft die größten Treiber sind. Da diese nicht im direkten Einfluss des Unternehmens selbst stehen, sind sie meist auch am schwierigsten zu bestimmen (und zu optimieren). Wie können Unternehmen diese zentralen Herausforderungen innerhalb der Wertschöpfung adressieren?

Was sind die Scopes 1, 2 und 3 der CO2-Emmisionen?

Das Greenhouse Gas (GHG) Protocol klassifiziert Emissionen in drei Kategorien: Scope 1 für direkte Emissionen aus unternehmenseigenen Quellen, Scope 2 für indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie und Scope 3 für alle anderen indirekten Emissionen einschließlich solcher aus vorgelagerten und nachgelagerten Prozessen der Wertschöpfung. Scope 3 ist besonders wichtig, da es häufig den größten Teil des THG-Ausstoßes ausmachen. Das GHG-Protocol bestimmt 15 Kategorien von Scope-3-Emissionen, die in den vor- und nachgelagerten Aktivitäten der Wertschöpfung entstehen. Sie entstehen beispielsweise in Aktivitäten der Rohstoffentnahme, Produktion und Transport von zugekauften Komponenten sowie der Nutzung der produzierten Produkte durch Endverbraucher*innen. Das macht es schwierig, sie zu erfassen, da sie nicht direkt unter der Kontrolle des Unternehmens stehen.

Corporate Carbon Footprint (CCF) vs. Product Carbon Footprint (PCF)

Es gibt zwei zentrale Ansätze, um Emissionen zu berechnen: den Corporate Carbon Footprint (CCF), der alle Aktivitäten eines Unternehmens umfasst, und den Product Carbon Footprint (PCF), der sich auf den Lebenszyklus eines spezifischen Produkts konzentriert. Der PCF ist besonders wichtig, wenn es um darum geht, die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette zu bestimmen. Unternehmen, die ihre Scope-3-Emissionen messen wollen, benötigen dafür unter anderem Aussagen von den Lieferanten zum PCF ihrer Zukaufteile.

Warum ist es wichtig, Scope-3-Emissionen zu messen?

Die Scopes 1 und 2 können Unternehmen direkt beeinflussen und somit auch leichter berechnen. Scope-3-Emissionen dürfen trotzdem nicht vernachlässigt werden, wenn eine Aussage über die gesamte Wertschöpfungskette getätigt werden soll. Da Emissionen entlang der vor- und nachgelagerten Prozesse häufig die größten Treiber der Treibhausgase darstellen, ist es nur so möglich, „Hotspots“ von Treibhausgasen in der Wertschöpfungskette zu identifizieren und reduzieren.

Bei den meisten KMUs stecken erhebliche Emissionen in den vorgelagerten Prozessen. Aber auch für Branchen, die stark auf eine komplexe und global verzweigte Lieferkette angewiesen sind, ist dies besonders relevant. Unter anderem ist die Automobilindustrie eine der Industrien, bei denen zugekaufte Komponenten und Dienstleistungen einen wesentlichen Einfluss auf die THG-Bilanz ausüben. Laut der Studie „Klimafreundliche Produktion in der Automobilindustrie“ des Öko-Institut e.V. entfallen durchschnittlich 74,8% der Scope-3-Emissionen auf die Nutzungsphase, während die eigene Produktion (Emissionen in Scope 1 und 2) dagegen durchschnittlich nur etwa 1,9% und die vorgelagerte Wertschöpfung mit zugekauften Komponenten 18,6% der Emissionen verursacht. Da sich die Branche immer mehr auf E-Mobility fokussiert, rücken die Scope-3-Emissionen der zugekauften Komponenten und damit der Lieferanten als zentraler Stellhebel in den Vordergrund.

Herausforderungen in der Lieferkette

Zudem wächst der Druck auf die Zulieferer, ihre eigene Produktion einerseits effizienter und nachhaltiger zu gestalten, während andererseits Transparenz über die Emissionen der produzierten Zulieferteile immer wichtiger wird. Zu den zentralen Herausforderungen in der Lieferkette zählen Themen wie Datenqualität und Verfügbarkeit. Um sich dem zu stellen und so den THG-Emissionen zu senken, müssen Unternehmen neue Wege gehen – von der Materialauswahl bis hin zur Produktion. Bei den dazu notwendigen Entscheidungen unterstützt eine solide Datenbasis, ebenso wie beim Dokumentieren der Emissionen.

Die Emissionen aus Scope 1 und Scope 2 zu erfassen ist nach dem GHG-Protocol Corporate Standard bereits verpflichtend, während Scope 3 dort optional ist. Doch die Relevanz der Berichterstattung von Scope 3 steigt, was auch EU-Richtlinien, wie zum Beispiel die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und die dazugehörigen europäischen Standards (ESRS), verdeutlichen. Diese machen die Offenlegung von Emissionen zu einem zentralen Thema im Zusammenhang mit dem Klimawandel und nachhaltigem Wirtschaften.

Drei wichtige Schritte, um Scope-3-Emissionen zu reduzieren

  1. Datenmanagement optimieren: Unternehmen sollten umfassende Daten zu ihren Produkten und deren Lebenszyklen sammeln, um Entscheidungen im Design und Portfolio zugunsten der Nachhaltigkeit zu treffen.
  2. Datenhoheit und Vertrauen sichern: Um die Scope-3-Emissionen genau zu berechnen, ist die Datenhoheit entscheidend, insbesondere im Kontext der vorgelagerten und nachgelagerten Wertschöpfung.
  3. Offene Schnittstellen nutzen: Für eine nahtlose Integration und Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungskette sind offene Datenschnittstellen wichtig. Hier können Ansätze wie die Asset Administration Shell (AAS, Verwaltungsschale) und Konzepte wie der Digitale Produktpass (DPP) unterstützen.

Fazit

Scope-3-Emissionen zu messen und zu optimieren ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen, die ihre THG-Bilanz verbessern wollen. Durch bessere Datennutzung, optimierte Zusammenarbeit in der Lieferkette und transparente Berichterstattung können Unternehmen gesetzliche Vorgaben erfüllen und Fortschritte in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft machen.

Einen ausführlichen Beitrag zu den Scope-3-Emissionen finden Sie hier auf dem CONTACT Research Blog.

Nachhaltigkeit mit dem grünen Digitalen Zwilling bewerten

Am 5. Januar 2023 ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft getreten – aber was bedeutet das genau? Das Europäische Parlament hat diese Richtlinie verabschiedet und macht damit einen wesentlichen Schritt im Rahmen des Europäischen Green Deal von 2019. Das ehrgeizige Ziel: Ein CO2-neutraler EU-Raum bis 2050 – und damit der erste CO2-neutrale Kontinent der Welt.

CSRD und ESRS: Herausforderungen im Reporting

Klassifiziert wird nach Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) im Rahmen der EU-Taxonomie. Jeder der drei Bereiche umfasst unterschiedliche Vorgaben und Richtlinien. Hier tritt speziell für den Umweltbereich die CSRD auf den Plan, um Unternehmen branchenübergreifend zu nachhaltigerem Handeln zu verpflichten. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wiederum konkretisieren, wie diese Verpflichtungen berichtet werden sollen.

Die Herausforderung besteht darin, die geforderten Umweltdaten, wie beispielsweise Schadstoffemissionen, gemäß den ESRS-KPIs zu berechnen und generell zu erfassen. Die Frage ist: Wie können diese Daten effizient und präzise erhoben werden?

Effiziente Datenerhebung für die Nachhaltigkeit

Umweltdatenbanken können bei der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit unterstützen, so zum Beispiel die Datenbank für prozessorientierte Basisdaten für Umweltmanagementsysteme (ProBas) vom deutschen Umweltbundesamt (UBA).

Auch der Digitale Zwilling kommt hier als nützlicher Helfer ins Spiel. Als digitales Abbild von Produkten, Maschinen oder Komponenten bietet er eine umfassende Lösung für die Herausforderungen der Datenerhebung im Kontext der CSRD. Durch die vollständige Digitalisierung des Produktpasses können relevante Daten während des gesamten Produktlebenszyklus zusammengeführt werden. Dies ermöglicht nicht nur eine effiziente Datenerhebung, sondern auch eine transparente Weitergabe entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Von den Einzelteilen zum Gesamtüberblick

Der Digitale Zwilling ermöglicht es, Informationen aus Umweltdatenbanken, ERP-, MES- und Materialdatenverwaltungssystemen zusammenzuführen. Anhand dieser Daten können dann die Umweltauswirkungen für die Bauteile eines Produkts mit der Life Cycle Assessment (LCA) Methode bilanziert werden. Nimmt man ein Fahrrad als Beispiel, wären das Lenker, Gabel, Rahmen, Sattel, Pedale und die zwei Räder mit Reifen. Die Ökobilanzierungskennwerte können für die individuellen Bauteile und für das komplette Produkt erfasst werden. Mit den einzelnen Kennwerten kann so der Carbon Footprint über die gesamte Wertschöpfungskette des Fahrrads bestimmt werden.

Diese Daten bilden auch die Grundlage für den Digitalen Produktpass des Fahrrads. Durch die vollständige Digitalisierung des Produktpasses können die berechneten Umweltdaten leicht weitergegeben werden, wie zum Beispiel an Händler und Konsumenten.

Grüner Digitaler Zwilling für die Luft- und Raumfahrtindustrie

Im Bereich der Industrie ist insbesondere die Luft- und Raumfahrtbranche stark von der CSRD betroffen. Im Rahmen des Forschungsprojekts PredictECO arbeitet CONTACT Software zusammen mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie an einem grünen Digitalen Produktzwilling, der diese Anforderungen erfüllt. Dazu gehört unter anderem die Nachweispflicht in Form eines digitalen Lebensdatenblatts (LDS), das die verwendeten Materialien und Prozesse bis ins kleinste Detail dokumentiert. Ziel ist es, einen umfassenden Digitalen Zwilling zu schaffen, der alle notwendigen Fertigungsinformationen für nachhaltige Produktionen entsprechend der Vorgaben aus dem LDS enthält und diese standardisiert in digitaler Form bereitstellen kann.

Ausblick

Schon jetzt zeigt sich, dass der grüne Digitale Zwilling eine praxiserprobte Lösung ist, um den Anforderungen der CSRD gerecht zu werden. Die Erhebung von Umweltdaten über den gesamten Produktlebenszyklus ermöglicht nicht nur eine effiziente Berichterstattung, sondern trägt auch zur Schaffung nachhaltiger Wertschöpfungsketten bei. Nutzen Sie die Chancen, die der grüne Digitale Zwilling bietet, um die Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen auf ein neues Level zu heben.

Lesen Sie hier den ausführlichen Beitrag zum grünen Digitalen Zwilling auf dem CONTACT Research Blog.

Wegbereiter für die Nachhaltigkeit: Der Digitale Produktpass

Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche Informationen sich hinter den Produkten verbergen, die unseren Alltag bestimmen? Vom Smartphone bis zur Verpackung von Lebensmitteln – der Digitale Produktpass (DPP) soll auf einen Blick zu zeigen, woher ein Produkt stammt, wie es hergestellt wurde sowie ob und wie es sich reparieren lässt. Daher hat der DPP das Potential, unsere Konsumgewohnheiten positiv zu beeinflussen und ist somit auch zukünftig für Unternehmen relevant.

Hinter den Kulissen: Der Digitale Produktpass erklärt

Der DPP ist als Konzept im Rahmen des europäischen Green Deal und des EU-Aktionsplans für die Förderung der Kreislaufwirtschaft entstanden. Die Idee mag zunächst abstrakt klingen, aber sie wird bereits zu einem zentralen Element des nachhaltigen Konsums. Analog zu dem Bild eines „Reisepasses“ vermerkt er alle wichtigen Stationen im Lebenszyklus eines Produktes und gibt so detaillierte Einblicke in Produktion, Reparatur und Entsorgung.

Warum ist das wichtig?

Stellen Sie sich vor, Sie könnten beim Kauf eines Produkts genau nachvollziehen, ob es nachhaltig hergestellt wurde und wie umweltfreundlich es sich am Ende seines Lebens verhält – der DPP gibt diese Einblicke. Es handelt sich dabei nicht mehr um ein reines Konzept: Die Europäische Union hat seine Einführung vorgeschrieben und bis 2030 sollen alle Branchen einbezogen werden. Die ESG-Reporting-Pflicht und das Lieferkettengesetz fordern von Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter*innen bereits, ihre Daten zu erheben. In Deutschland betrifft der Pass als Erstes ressourcenintensive Branchen wie Elektronik, Elektrofahrzeuge, Industriebatterien, Textilien, Baugewerbe, Verpackungen und Kunststoffe.

Was beinhaltet der Digitale Produktpass?

Das Deutsche Institut für Normung (DIN) und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) haben einen Ausschuss zum Digitalen Produktpass gegründet, mit dem Ziel, Anforderungen an die technische Gestaltung des DPP zu definieren. Dazu gehören beispielweise Informationsträger mit einheitlichen Identifikatoren für das Produkt, Informationen über die Umweltauswirkungen sowie Langlebigkeit, Materialien, Zulieferer und mehr. Um eine Anpassung an die unterschiedlichen Produktgruppen und -branchen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Daten zu ermöglichen, benötigt der DPP jedoch eine entsprechende modulare Architektur.

Wie der Digitale Produktpass das Konsumverhalten beeinflussen wird

Verbraucher*innen eröffnet der DPP einen klaren Blick auf die gesamte Reise eines Produkts, von der Entstehung bis zur Entsorgung oder Wiederverwertung. So könnte er durch seine Förderung der Transparenz einen erheblichen Einfluss auf unser Konsumverhalten haben. Mit Hilfe des unkomplizierten Einblickes in die Umweltauswirkungen ermutigt er Konsumenten beispielweise dazu, langlebige Produkte auszuwählen. Mithilfe von mehreren Detailstufen können die Informationen auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten werden.

Der DPP als Treiber der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

Dabei ist der DPP mehr als nur ein Reisepass für Produkte: er treibt das nachhaltige Wachstum in der Kreislaufwirtschaft an. Der Produktpass optimiert den Produktlebenszyklus, fördert Standardisierung und nachhaltiges Design, verbessert Ressourcen- und Recyclingeffizienz und hilft bei der umweltfreundlichen Beschaffung.

Der DPP im Unternehmen

Für Unternehmen ist es wichtig, sich frühzeitig auf die Einführung des DPP vorzubereiten. PLM-Systeme wie CIM Database PLM und hochentwickelte IT-Lösungen nehmen dabei viel Arbeit ab. Zum Beispiel können sie LCA-Daten (Life Cycle Assessment) direkt anhand der Stücklisten und Arbeitspläne berechnen und mit Material Compliance-Methoden eine sichere Materialauswahl gewährleisten. IoT-Systeme wie CONTACT Elements for IoT liefern zusätzlich Daten aus der Produktion, die zu effektivem Energiemanagement beitragen können.

Ein strategischer Schritt für die nachhaltige Zukunft?

Der DPP ist also nicht nur eine reine Informationsquelle, sondern bietet Verbraucher*innen fundierte Informationen, um verantwortungsbewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Unternehmen können sich erfolgreich auf DPP-Standards vorzubereiten, indem sie ihre PLM-Systeme und IT-Lösungen ausbauen. Der Digitale Produktpass ist somit ein strategischer Schritt und wegweisende Notwendigkeit für eine nachhaltige Zukunft.

Einen umfassenderen Beitrag zum Digitalen Produktpass finden Sie hier auf dem CONTACT Research Blog.