PLM-Blogger Oleg Shilovitsky, der sich wiederum auf einen Beitrag von Monica Schnitger bezieht, verdanke ich die Entdeckung eines wundervollen Begriffs, der ursprünglich in der Open Source Community geprägt wurde: Fauxpenness. Er bezeichnet eine Software, die vorgibt Open (Source) zu sein, aber es nicht wirklich ist. Der Begriff lässt sich prächtig auf die PLM-Hersteller und ihre Produkte übertragen, die aller Lippenbekenntnisse und der Unterzeichnung des Code of PLM Opennness (CPO) zum Trotz noch längst nicht so offen sind, wie sie sein müssten, um den wachsenden Kundenanforderungen in punkto Interoperabilität zu genügen. „PLM-Fauxpenness hat keine Zukunft“ weiterlesen
Schlagwort: Codex of PLM Openness
Bewegung für mehr PLM-Offenheit
„Und sie bewegt sich doch“, möchte man mit dem italienischen Mathematiker Galileo Galilei ausrufen, als er seiner Lehre von der Erdbewegung um die Sonne vor der Inquisition abschwören musste. Dummerweise ist berühmte Ausspruch eine Erfindung. Die PLM-Welt ist nach Jahren des Stillstands, in denen die Allianzen zwischen Systemherstellern und OEMs fest zementiert schienen, in Bewegung geraten. Erst hat sich Chrysler, dann Daimler für den Wechsel von Catia auf NX entschieden, und auch andere OEMs denken laut über die Neuordnung ihrer PLM-Landschaften nach.
Die neue Beweglichkeit der OEMs hat viele Ursachen, aber eine Gemeinsamkeit lässt sich zweifellos ausmachen: Alle treibt die Sorge um, die Verfügungsgewalt über ihre Produktdaten zu verlieren. Den Stein ins Rolle brachte nach Meinung vieler Insider PLM-Hersteller Dassault Systèmes mit der Vorstellung von Catia V6, in der die CAD-Daten praktisch nur noch auf dem Umweg über das integrierte PDM-System ENOVIA zugänglich sind. Dabei machen die Franzosen eigentlich nichts, was andere große PLM-Hersteller nicht auch gerne machen würden. Das Problem ist nur, dass ihre Kunden das nicht mehr mit sich machen lassen.
Der Ruf nach mehr Offenheit der PLM-Systeme ist unüberhörbar geworden. Automobilhersteller und Zulieferer wollen ihre heterogenen Systemlandschaften einfacher und flexibler integrieren, um die wachsende Komplexität der Produktentwicklung besser beherrschbar zu machen. Führende OEMs haben deshalb im April dieses Jahres eine Initiative zur Schaffung eines Codex of PLM Openness ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, bestimmte Mindestanforderungen an die Offenheit von PLM-Werkzeugen und -Lösungen zu formulieren und die Anbieter dazu zu bewegen, sie einzuhalten.
Aufgehängt ist die Initiative in einem Arbeitskreis des ProSTEP iViP-Vereins, dem hochkarätige Vertreter von BMW, Daimler, Volkswagen/Audi und Ford angehören. Koordiniert werden ihre Aktivitäten von Gerhard Seidenfaden, einem „alten Hasen“ aus dem Stall von Daimler, der als heute als Berater über die notwendige Unabhängigkeit verfügt. Der Arbeitskreis wird zunächst ein Memorandum of Understanding mit den Kernforderungen der OEMs erarbeiten, die dann in einem erweiterten Kreis mit Vertretern von Zulieferern und Systemlieferanten diskutiert werden sollen, um bis zum Jahresende ein verbindliches Dokument zu verabschieden. Ein sportliches Ziel.
Es geht bei der Initiative nicht darum, Systemlieferanten wegen mangelnder Offenheit an den Pranger zu stellen. Man wolle gemeinsam mit ihnen einheitliche Eckpunkte für den Zugang zu Systemen und Daten definieren, die als Grundlage für spätere vertragliche Vereinbarungen dienen können, betont Dr. Steven Vettermann, Geschäftsführer des ProSTEP iViP-Vereins. Zwar reden alle von Offenheit, aber was heißt das eigentlich? Weder die OEMs, die mehr Offenheit einfordern, noch die Vendoren, deren Systeme angeblich alle offen sind, verstehen darunter das Gleiche. Was glauben Sie – Ist eine proprietäre API, für die Third-Party-Anbieter oder Kunden auch noch Lizenzgebühren zahlen müssen, nun eigentlich offen oder nicht?
Der Arbeitskreis will keine Schnittstellen oder Formate vorgeben, sondern auf einer relativ abstrakten Ebene festlegen, welche Informationen für eine nahtlose Integration der Systeme und Prozesse benötigt werden. Die Systemhersteller sollen sich freiwillig dazu verpflichten, diesen gemeinsamen Nenner in ihren Systemen umzusetzen. Wie die Einhaltung des Kodex kontrolliert und Verstöße geahndet werden sollen, ist noch nicht ganz klar – der Arbeitskreis setzt hier auf das Feedback der Anwendergemeinde. „Es ist nicht Ziel des Vereins, den TÜV für Systemoffenheit zu spielen“, so Vettermann.
Und wie reagieren die Systemanbieter auf die Initiative für mehr Offenheit? Laut Vettermann erstaunlich offen. Begrüßt wird sie natürlich besonders von den neutralen PLM-Herstellern, die selbst kein CAD-System anbieten und bisher enorme Klimmzüge machen müssen, um an die Informationen zu gelangen, die sie für eine gute Integration der jeweiligen CAD-Systeme benötigen.
Bleibt abzuwarten, ob die OEMs es schaffen, ihre Partikularinteressen hintan zu stellen und sich wirklich auf einen einheitlichen Anforderungskatalog zu verständigen. Sonst haben wir am Ende zig herstellerspezifische PLM Codices, was dem Ziel, einen gemeinsamen Nenner für die Offenheit zu finden, nicht förderlich wäre. Doch was meinen Sie – lässt sich ein solcher Codex of PLM Openness überhaupt durchsetzen?