Vom Beschreiben und Zeigen in der Produktentwicklung

„Ich merke, du verstehst nicht wirklich, wovon ich spreche. Warte mal, ich zeig’s dir“. Oft scheitert die Kommunikation daran, dass man gezwungen wird, Sachen zu beschreiben, statt sie zu zeigen. Weil sie entweder außer Reichweite sind oder weil sie schlichtweg nicht real existieren. Wie Produkte, die noch in der Entwicklung sind. Darum sind Designer:innen regelrechte Bastel-Expert:innen. Mit einer Produktidee im Kopf bauen sie schnell mit Pappe und Kleber einen Prototyp. So gelingt es ihnen, das zu zeigen, was sich schwer in Worte fassen lässt. Das genau brauchen effiziente Produktentwicklungsprozesse und das kann durch eine tiefere Integration von 3D-Visualisierungsfunktionen in das PLM-System erreicht werden.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Der Mehrwert von Bildern gegenüber reinem Text ist für uns heutzutage in einer multimedialen Welt selbstverständlich. Auf Instagram und Co unterstreicht der Text nur noch das, was auf dem Bild bereits erfasst wurde. Doch wie viel von dieser Selbstverständlichkeit ist in den IT-Systemen, die die Arbeit von produzierenden Unternehmen unterstützen, angekommen? Meiner Beobachtung nach geht Beschreiben hier immer noch vor Zeigen: Auf den Bildschirmen finden sich mehrheitlich Zeichen, Worte, Tabellen und Sätze.

Dabei mangelt es seit der Verbreitung von CAD-Systemen vor allem in PLM-Anwendungen nicht an Bildern. Kaum ein Produkt wird hergestellt, bevor es nicht als (3D-)Bild vorher konstruiert ist. Das 3D-Modell ist ein selbstverständliches Instrument in der Produktentwicklung und in Zeiten steigender Produktindividualisierung ein ideales Werkzeug für die Kommunikation rum um das Produkt. Vom Stuhl bis zum Elektroauto: Branchenübergreifend lassen sich Produkte online individuell konfigurieren und in 3D ansehen, bevor sie bestellt und produziert werden.

Warum bleibt die Unternehmenssoftware noch so textlastig?

CAD-Software-Lizenzen sind teuer. Unternehmen statten daher oft nur wenige Arbeitsplätze damit aus. Hinzu kommt, dass CAD-Software als proprietäre Dateiformate sich nicht so ohne Weiteres von anderen Programmen öffnen lassen. So bleibt der Zugang zu 3D-Geometrien auf einen exklusiven Club beschränkt.

Überwindet man diese Hürde zum Beispiel mit neutralen 3D-Viewern, bleibt immer noch die Frage, wie sich 3D-Geometrie und Text mit den Bedienoberflächen (UI) von Unternehmenssoftware am besten kombinieren lassen? Jenseits der fantasiereichen Zukunftsvisionen rund um Datenhandling mit VR/AR à la Minority Report fehlt es in der Realität noch an Konzepten, Informationen aus 3D-Modellen und Datenbanken in einem einheitlichen Bedienmuster zu verbinden.

Wo geht die Reise hin?

Im ersten Schritt gilt es, 3D-Geometrien neben den bisherigen textuellen Inhalten in die UI zu bringen. Grundlegende Funktion ist neben dem Anzeigen und Drehen auch die Möglichkeit, in das Innere des Modells zu navigieren, um sich einzelne Komponenten durch selektives Ein- und Ausblenden detailliert anzuschauen. Hilfreich für eine zielführende Kommunikation im Team sind auch Funktionen wie das Eintragen, Speichern und Teilen von Anmerkungen am 3D-Modell. Zudem können zusätzliche Digital Mock Up– (DMU) Berechnungsfunktionen bestimmte Entscheidungsprozesse unterstützen. Wie zum Beispiel eine Nachbarschaftssuche, um die Auswirkungen einer technischen Änderung zu analysieren. Oder ein Modellvergleich, um nachträglich die Umfänge dieser Änderung nachzuvollziehen.

Im zweiten Schritt müssen geometrische und textuelle Informationen in der UI vereint werden. So entsteht eine integrierte Bedienoberfläche, die inhaltlich Mehrwert bietet. Wie wäre es zudem, wenn das 3D-Modell in PLM-Anwendungen nicht mehr als Illustration der Stückliste dient, sondern umgekehrt die Teilestammdaten die 3D-Geometrie anreichert? Oder Tabellen und textuelle Hyperlinks abgeschafft werden und eine räumliche Navigation zur Verfügung steht? Oder wenn Anwender:innen den Teilebestand wie in einem Lager visuell durchsuchen können, anstatt Nummern in einer Liste aufzuspüren? Oder, oder, oder.

Wir haben uns in der Informationstechnik so an die Arbeit mit Zeichenketten gewöhnt (ich denke dabei an Kommandozeilen, relationale Datenbanken, Hyperlinks und so weiter), dass andere Bedienmuster undenkbar erscheinen. Hier ist es an der Zeit umzudenken und die visuelle Kraft der 3D-Geometrie zu entfesseln, um schnell und präzise in Unternehmensprozessen zu kommunizieren.

In meinem Webcast am 7. Oktober 2021 erfahren Sie, wie Sie 3D-Visualisierungs- und Inspektionsfunktionalitäten für alle PLM-Anwender:innen über den gesamten Produktlebenszyklus zugänglich machen und eine nahtlose Integration von geometrischen und PLM-Daten gewährleisten – in einer Oberfläche, ohne zu teuren Standalone Viewern springen zu müssen.

Terminplanung – Der Hammer des Projektmanagements?

Mark Twain wird das Bonmot zugeschrieben „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel“. Auch wenn nicht zweifelsfrei geklärt ist, wer tatsächlich der Urheber dieser Äußerung ist, bleibt es die wohl prägnanteste Formulierung für „Maslows Hammer“.

Was hat das mit Projektmanagement zu tun?

Bei Projektmanagement-Software beobachte ich immer wieder, dass Anwender versuchen, mit nur einem Werkzeug, nämlich der Terminplanung, verschiedenste Ziele zu erreichen. Verübeln kann man es ihnen nicht, verleiten doch viele Projektmanagement-Tools die Benutzer genau dazu.

Dabei entstehen Pläne aus Hunderten oder Tausenden von tagesgenauen Aufgaben. Mir begegnen dabei nicht selten auch Vorgänge in Frageform, wie „Spezifikation freigegeben?“, „Kundenpräsentation erfolgt?“ und Ähnliches, versehen mit Dauer, Termin und Vorgangsverknüpfungen.

Überdetaillierte Planung rächt sich im Projekt

Das Dilemma: Solche Pläne sind nur scheingenau, mit vielen aus Vorgangsverknüpfungen berechneten Detailterminen. Obwohl jeder Beteiligte eigentlich weiß, dass bei größeren Projekten keine Aktivität auf den Tag genau eingehalten wird. Dennoch tun alle so, als ob der Plan exakt so richtig wäre.

Auch die Praxis, die Ressourcenauslastung zu managen, indem man alle Aufgaben einer bestimmten Person hintereinander verknüpft, geht nur so lange gut, bis man die Planung ändern muss. Dann stimmt das ganze Planungsgefüge nicht mehr. Aber das Terminplanungstool berechnet die Termine weiterhin erbarmungslos nach Netzplan.

Je detaillierter der Plan ist, desto aufwändiger sind Änderungen im Projektverlauf. Sie verschieben eine Aufgabe und ganz viele andere verschieben sich mit – nur leider nicht so, wie Sie das erwartet hätten. Sie verstehen Ihren eigenen, zu komplizierten Netzplan nicht mehr und benötigen hohen Umplanungsaufwand für neue Scheingenauigkeit. Manche lassen den Plan dann gleich unverändert und beginnen stattdessen zu improvisieren.

Nutzen Sie den ganzen Werkzeugkasten

Hier liegt es nahe, an agile Vorgehensweisen als Alternative zu denken. Doch dafür muss man sein Projektmanagement nicht unbedingt komplett ändern. Viele erfahrene Projektmanager sagen: „Agilität ist ja nichts Neues. Bei mir ist es halt kein Task Board, sondern eine gute alte Offene-Punkte-Liste.“ Und genau das ist der Schlüssel. Planen Sie nur so genau wie nötig und wie wirklich sinnvoll. Das Motto lautet hier: Lieber eine gute Grobplanung als eine schlechte Detailplanung. Auch wenn der Grobplan wahrscheinlich nicht so eintrifft wie gedacht, lässt er sich viel einfacher korrigieren und macht den Impact auf das Projekt schneller ersichtlich.

Für Detailthemen ist eine Liste offener Punkte (LOP) mit klar festgelegten Verantwortlichkeiten das Werkzeug der Wahl. Und für alles, was Sie in Frageform einplanen wollen, helfen Checklisten, die regelmäßig im Projektverlauf überprüft werden. Bei Nichterfüllung setzen Sie eine Maßnahme auf Ihre LOP. Und vielleicht erfassen und beobachten Sie Risiken und definieren Gegenmaßnahmen, um rechtzeitig und effektiv gegenzusteuern. Damit sind Sie in aller Regel sehr viel besser aufgestellt für ein erfolgreiches Projekt.

Also: Verwenden Sie den Hammer wirklich nur für Nägel. Für alles andere greifen Sie ruhig zu Zange, Schraubendreher oder Schraubenschlüssel!

Einheitliche UX bei verteilter Produktentwicklung

Die Entwicklung von Enterprise Software läuft größtenteils verteilt ab. Lösungen bauen auf einer Plattform auf, werden aber getrennt davon entwickelt: Die Zusammenstellung von Modulen und deren Anpassung an Kundenanforderungen erfolgt nachgelagert, an anderen Orten. Das bedeutet verschiedene Teams, verschiedene Abteilungen, verschiedene Firmen bauen an etwas, das für den Kunden erst mal ein Produkt ist.

Anwender erwarten Software aus einem „Guss“, die Bedienmuster wiederverwendet und deren User Experience durchgängig ist. Eine große Herausforderung, wenn unterschiedliche, teils weltweit verteilte Bereiche daran mitwirken und jeder an der Produktentwicklung Beteiligte eine eigene Perspektive mitbringt. Wie in meinem vorangegangenen Beitrag beschrieben, ist eine grundsätzliche Sensibilisierung für das Thema UX im gesamten Unternehmen bereits eine gute Voraussetzung. Wie können wir darauf aufbauen und noch gezielter im Sinne durchgängiger UX unterstützen?

UX-Influencing ist der Schlüssel

Craig Villamor’s Präsentation „Resilient Enterprise Design hat meine Sicht auf diese Herausforderung stark geprägt. Craig ist Design Direktor bei Google und war davor für das Design von  Salesforces Software verantwortlich. In seinem Beitrag zur Enterprise UX Konferenz 2017 zeigt er anhand der vier Säulen Design-Prinzipien, Platform Mindset, Design-Systeme und Influencing in der Produktentwicklung, wie erfolgreiches UX-Design von robusten Unternehmensanwendungen gelingen kann.

Ich möchte mich hier vor allem auf die letzte Säule, das Influencing, konzentrieren. Gemeint ist hier das Einwirken auf alle an der Produktentstehung beteiligten Akteure – bei CONTACT nennen wir sie „Creators“. Diese Unterstützung ist auch ein zentraler Aspekt unserer UX-Strategie. Doch wie sieht das konkret aus?

Es einfach machen, das Richtige zu tun

Nicht immer ist es gut, den Gestaltungsrahmen möglichst groß zu halten: Zu viele Gestaltungsoptionen können zu Wildwuchs und unnötigen Inkonsistenzen führen. So geben etwa feste Layouts für Seiten oder Steuerungselemente wiedererkennbare Bedienmuster vor. Die überschaubaren Designoptionen sollten dann möglichst kontextnah erläutert werden, in Strukturen mit denen die Creators unmittelbar arbeiten – etwa direkt in der Konfigurationsoberfläche. Solche Hilfestellungen können sprechende Titel und kurze Beschreibungen für vorgegebene Layoutbereiche sein, beispielsweise semantische Abschnitte in einem Kontextmenü. So fällen Creators auch ohne Umwege über die Design-Dokumentation direkt die richtigen Entscheidungen.

Mit den richtigen Ressourcen unterstützen

Gute Design-Dokumentation ist auch relevant: Designrichtlinien sind der Rahmen für Gestaltungsentscheidungen in der Anwendungsentwicklung und -konfiguration. Wichtig dabei ist, dass sie nicht textbuchmäßig aufgezogen, sondern nahe an den Problemen der Creators sind. Bestenfalls enthält die Dokumentation jeder UI-Komponente Hinweise, für welche Anwendungsfälle sie geeignet ist – und für welche nicht. Beispiele zeigen, wie der UI-Baustein richtig eingesetzt wird, etwa im Zusammenspiel mit anderen UI-Elementen.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Überhaupt lieben Creators Beispiele: Was kann man mit diesem Baukasten machen? Wie sehen mögliche Lösungen aus? CONTACTs Produkte bieten eine stetig wachsende Anzahl an Fachanwendungen (Task Manager, xBom Manager, Terminplaner, Variantenmanagement etc.), die auf dem InSync Design System aufbauen und den Creators Vorlagen oder Inspiration für neue Lösungen bieten.

Wenn wir also verteilt agierenden Produktakteuren Hilfestellung für Designentscheidungen direkt an die Hand geben, mit guten Ressourcen zur Anwendungsgestaltung unterstützen und Leuchtturm-Lösungen zur Orientierung schaffen, können sie leichter überzeugende Produkte mit einem durchgängigen Anwendererlebnis schaffen.