In 4 Schritten mit IoT durchstarten

Das Internet der Dinge (IoT) und der digitale Zwilling sind in aller Munde – bilden sie doch den Rahmen für neue, digitale Geschäftsmodelle. Laut einer Prognose von PwC beschert die Digitalisierung dem produzierenden Gewerbe in den nächsten 4 Jahren ein Umsatzplus von mehr als 270 Milliarden Euro allein in Deutschland.

Unternehmen erhoffen sich durch smarte Produkte und digitale Geschäftsmodelle Umsatzwachstum. Das bestätigt auch unsere aktuelle IoT-Studie, die gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) durchgeführt wurde. Sie zeigt, dass Unternehmen große Erwartungen haben, verdeutlicht aber gleichzeitig, dass bei der konkreten Umsetzung noch Zurückhaltung herrscht. Viele Unternehmen stehen vor der Frage: „Wie funktioniert das eigentlich mit IoT?“.

Meiner Erfahrung nach machen Unternehmen gedanklich häufig den zweiten vor dem ersten Schritt, was zu Zurückhaltung führt. Natürlich ist es gut und wichtig eine Vision zu haben. Das Bild, was oft in Blogs und Foren veröffentlicht wird, zeigt aber meist sehr weit entwickelte IoT-Szenarien. Sie setzen nicht da an, wo viele Unternehmen aktuell mit ihrem Geschäftsmodell und Technologiewissen stehen.

Darum ist es wichtig, selbst Erfahrungen zu sammeln und sich Schritt für Schritt getreu der Devise Think big, start small, act now! neuen digitalen Geschäftsmodellen anzunähern. Eigene Projekte, auch zusammen mit Technologiepartnern, erweitern den Erfahrungsschatz ganz automatisch. Warum also nicht damit beginnen, die neue Technologie zur Unterstützung des klassischen Geschäfts zu nutzen?

Ich möchte mit meinem Beitrag zeigen, wie Unternehmen in nur 4 Schritten ein effektives IoT-Szenario für ihr Geschäft realisieren können.

Schritt 1: Der digitale Zwilling als Kommunikationsschnittstelle

Die notwendigen Daten für den digitalen Zwilling sind in der Regel bereits im Unternehmen vorhanden. Den Anfang macht eine einfache Seriennummer. Sie dient als Dokumentationsschnittstelle und bringt die Daten mit dem Produkt in Verbindung. Später werden 3D-Daten hinzugefügt. Die Daten liegen häufig bereits in PLM– oder ERP-Systemen vor – zum Beispiel aus der Produktion, dem Einkauf oder der Entwicklung – und sollten zusammenhängend in einem Dashboard abgebildet werden.

Schritt 2: Daten generieren über Sensoren

Auch Sensoren sind bereits häufig vorhanden, beispielsweise für die Steuerung von Geräten, Maschinen und Anlagen. Sie erfassen Zustände wie Leistung, Druck, Verbrauch usw. Diese Daten werden nun konsequent erfasst und geeignet abgelegt. So kann stets der aktuelle Zustand eingesehen werden. Außerdem werden Grenzwerte definiert, zum Beispiel für eine zu hohe Stromabnahme, woraufhin Warnungen versendet und Fehler behoben werden können.

Schritt 3: Smarte Wartungsarbeiten einleiten

Aus der Analyse der Daten lässt sich ein detailliertes Schadens- und Verschleißbild ableiten und Maßnahmen wie Wartungsvorhaben möglichst früh in die Wege leiten. Der digitale Zwilling dient hierbei als Dokumentationsschnittstelle. Alle Anpassungen am Produkt bleiben so nachvollziehbar. Diese Datenhistorie kann später für die Entwicklung von Vorhersagen („Predicitve Maintenance“) verwendet werden. Der digitale Zwilling „as maintained“ unterstützt bei der Dokumentation der Produktänderungen, kann diese mit historischen Daten in Verbindung setzen und somit auch nachweisen, in welcher Konfiguration das Produkt optimal funktioniert. Der klassische Produktlebenszyklus wird also auf die Nutzung erweitert.

Schritt 4: Ersatzteile anfordern

Darüber hinaus werden die Informationen genutzt, um Ersatzteile anzufordern. Mithilfe von komprimierten Service-Stücklisten oder Ersatzteilkatalogen werden die Daten dem betroffenen Bauteil zugeordnet und das benötigte Ersatzteil bei bevorstehendem Schaden zugestellt. Auch diese Daten liegen bereits in ERP-Systemen. Dieser Vorgang kann manuell oder automatisch auf Basis der Gerätemeldungen angestoßen werden. Somit vermeiden Unternehmen Stillstand in der eigenen Fertigung.

In diesen 4 einfachen Schritten ist ein effizientes IoT-Szenario umgesetzt und ein großer Schritt in Richtung digitales Geschäftsmodells gemacht. Ich bin mir sicher, dass vielen Unternehmen so der Start mit der neuen Technologie gelingt.

Also: Loslegen und die gewonnenen Erfahrungen für digitale Geschäftsmodelle nutzen!

Smarte Produkte haben ihren Preis

IoT-Failures waren Thema meines vorherigen Blog-Beitrages, und besonders überraschte der „Rauchmelder mit integriertem Mikrophon, das Mithören in Wohnräumen erlaubt“, den ein namhafter Hersteller auf den Markt gebracht hat. Die Frage, ob dies wirklich ein Designfehler ist oder ob wir das nicht für den Komfort smarter Produkte in Kauf nehmen müssen, hat bei uns zu richtig interessanten, teils kontroversen Diskussionen geführt. Eine Frage, die sich herauskristallisierte, ist zwar nicht neu, beschäftigt jedoch allgemein die Benutzer smarter Geräte: 

Wie viel Privatsphäre gebe ich für welchen smarten Komfort preis?

Im Falle des Rauchmelders liegen die Vorzüge auf der Hand: Die Vernetzung der Rauchmelder im Haus bieten eine höhere Sicherheit im Brandfall. Wird ein Melder ausgelöst, werden alle anderen Rauchmelder verständigt und der Alarm ertönt im ganzen Haus. Zudem kann der Alarm weitergeleitet werden, zum Beispiel an ein Handy, so dass Nutzer jederzeit informiert sind. Für diese Funktionalität wird allerdings kein Mikrophon benötigt, das Mithören erlaubt. Das hochauflösende Mikrophon wird jedoch benötigt, wenn der Rauchmelder zusätzlich zur Sprachsteuerung für ein „Smart Home“ eingesetzt werden soll. 

Vorteil: Ich habe dann nur ein Gerät an der Zimmerdecke: Rauchmelder mit Sprachsteuerung.
Nachteil: Ich benötige zwar in jedem Zimmer einen Rauchmelder, allerdings gibt es Zimmer, da möchte ich kein Element zur Sprachsteuerung lauschen lassen. 

Möglicherweise wurde dies für das Design des modernen Rauchmelders einfach nicht als wichtig eingestuft, oder vielleicht wurde auch nur ein bereits vorhandenes Schaltungsdesign wiederverwendet. Hier wird aber klar, dass es für die Entwicklung smarter Produkte wichtig ist, das Gesamtpaket aus Sicht des Benutzers zu betrachten:

Was soll ein smartes Produkt können, was ist technisch möglich, und was darf es nicht können?

Es gibt sicherlich Produkte, die sich diesbezüglich in einer Grauzone befinden, wie beispielsweise ein Jogging-Kinderwagen, der autonom vor dem Laufenden herfährt. Ist das autonome Fahren sicherer, als wenn der Sportler den Wagen festhält? Denn auch er könnte stolpern und der Kinderwagen auf eine Straße rollen …

Viel mehr aber bietet das Internet der Dinge und die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche auch die Möglichkeit, nachhaltige Produkte und Lösungen zu entwickeln. Ich würde mir ein Elektroauto wünschen, dessen Routenplaner die auf dem Weg benötigten Elektrotankstellen berechnet und zu geeignetem Zeitpunkt das Tanken vorschlägt, natürlich unter Berücksichtigung von Wartezeiten. Oder generell Anwendungen im Smart Home Bereich, die Einsparungen von Energie ermöglichen und zudem eine höhere Sicherheit bieten. 

Sehr interessant sind auch die Möglichkeiten im industriellen Bereich, die durch den Einsatz Digitaler Zwillinge von Anlagen oder Maschinen erreicht werden können: Betriebszustände können auf einen Blick erfasst und die Maschine über Apps gesteuert werden. Algorithmen berechnen optimale Ressourcen-Zuweisungen, Engpässe können erkannt werden, und eine Echtzeitsteuerung wird möglich. 

Die spannende Herausforderung die ich beim Design von IoT Produkten sehe, ist das Zusammenspiel zwischen Hardware und Software. Welche Möglichkeiten sich da ergeben, nachhaltige und anspruchsvolle Produkte zu designen und Prozesse zu optimieren, wenn das Gesamtsystem betrachtet wird! Die Komplexität stellt die Menschen, die in der Entwicklung der Systeme involviert sind, vor große Aufgaben. Und neben dem Design gehören auch Verifikation, Testen und Validieren einer Lösung zu den notwendigen Aufgaben, damit das korrekte Verhalten des Produkts oder Systems bestmöglich gewährleistet wird.

Über IoT-Failures und Vertrauen in Technologie

Anfang April diesen Jahres besuchte ich die building IoT in Köln. Bei der Fachkonferenz, die von heise developer, iX und d.punkt Verlag organisiert wurde, drehte sich in Vorträgen und einer Ausstellung alles rund um Anwendungen für das Internet der Dinge (IoT) und Industrie 4.0. Zusammen mit meiner Kollegin Yang Zhong durfte ich in einem Vortrag  moderne User-Experience-Konzepte (UX) für IoT-Lösungen vorstellen.

Zum Abschluss unseres Vortrags, der einen Arbeitsprozess eines Anwenders, von der Datenaufnahme eines realen „Things“ bis zur Visualisierung der Live-Daten im Dashboard mittels Digitalem Zwilling zeigte, gab es eine sehr anregende Diskussion. Zwei Punkte waren hier besonders interessant: 

  • In vielen Anwendungsbereichen steht das Thema Customer-Journey weit oben auf der Agenda – was den aktuellen Trend bestätigt.  
  • Es ist essentiell, Software für Anwender zu entwickeln – was auch Konsens war.

Der Abend gehörte ganz dem Thema Industrial IoT. Als Moderatorin leitete ich eine Gesprächsrunde aus Vertretern unterschiedlicher Unternehmen und Softwarefirmen, wie beispielsweise Miele, Dürr Dental, Codecentric oder akquinet. Hier entwickelte sich eine intensive Diskussion um die vorherrschenden Themen der Industrie 4.0. Dazu gehören neben der Wahl der Steuerungselektronik oder des Funkstandards auch Fragestellungen, ob eine IoT-Lösung in einer Cloud betrieben werden soll. Gründe für Lösungen in einer Cloud sind natürlich der Komfort und die relativ effiziente und einfache Skalierbarkeit was die Anzahl der zu verwaltenden „Things“ betrifft. Im Gegensatz dazu spricht für das Verwalten der Software auf eigenen Servern (on-premise), dass vertrauliche Produkt- oder Kundendaten das Haus auch wirklich nicht verlassen. Die Diskussion hat meine Einschätzung bestätigt, dass beide Vorgehensweisen in der Praxis ihre Vorteile haben und entsprechend Anwendung finden.

Eines meiner persönlichen Highlights der diesjährigen building IoT war eine negative Hitliste mit IoT Produkten, so genannte IoT-Failures: Produkte also, die massive Sicherheitslücken besitzen, wie beispielsweise offene Datenschnittstellen. Einige „klassische“ Lücken waren schon bekannt, wie nicht geänderte Standard-Passwörter, die Datenmissbrauch/-diebstahl ermöglichen. Von anderen war ich überrascht: wie zum Beispiel einem Rauchmelder eines namhaften Herstellers, der bereits serienmäßig mit einem Mikrophon (?!) ausgestattet wurde, das wiederum unerwünschtes Mithören in Wohnräumen erlaubt.

Warum ist ein Mikrophon in einem Rauchmelder zu finden?  Das können wir nicht mit Sicherheit sagen, zumindest ist es nicht im Sinne des Kunden und lässt das Vertrauen in die Technik massiv schwinden. Und genau das ist der springende Punkt: Akzeptanz für neue Technologien benötigt Vertrauen. Und das wird bei  der zunehmenden Digitalisierung immer wichtiger.