PLM-Fauxpenness hat keine Zukunft

PLM-Blogger Oleg Shilovitsky, der sich wiederum auf einen Beitrag von Monica Schnitger bezieht, verdanke ich die Entdeckung eines wundervollen Begriffs, der ursprünglich in der Open Source Community geprägt wurde: Fauxpenness. Er bezeichnet eine Software, die vorgibt Open (Source) zu sein, aber es nicht wirklich ist. Der Begriff lässt sich prächtig auf die PLM-Hersteller und ihre Produkte übertragen, die aller Lippenbekenntnisse und der Unterzeichnung des Code of PLM Opennness (CPO) zum Trotz noch längst nicht so offen sind, wie sie sein müssten, um den wachsenden Kundenanforderungen in punkto Interoperabilität zu genügen.

Interoperabilität ist allerdings für Schnittger nur der zweitwichtigste Grund für die Bedeutung der Offenheit – der wichtigste sei Nachhaltigkeit bzw. Nachvollziehbarkeit. Viele der Objekte, die in der Engineering-Welt Gestalt annehmen, haben sehr lange Lebenszyklen, und man muss ihre Entstehungsgeschichte vielleicht auch nach 30 oder mehr Jahren noch nachvollziehen können. Die meisten PLM-Systeme werden dieses Alter nie und nimmer erreichen. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass alle Informationen zugänglich sind und im Bedarfsfall migriert werden können.

Ketten
Mit freundlicher Genehmigung von dan, www.FreeDigitalPhotos.net

Vor kurzem habe ich mal ein bisschen Ahnenforschung betrieben und dabei festgestellt, dass mehr als zwei Drittel der PLM-Systeme (damals sprach man natürlich noch von EDM- bzw. PDM-Systemen), die 1995 in der ersten Marktübersicht der Zeitschrift EDM REPORT aufgeführt waren, nicht mehr existieren oder nur noch ein Schattendasein als Auslaufmodelle fristen. Und da reden wir gerade mal über 20 Jahre PLM-Geschichte. Es sind auch nicht unbedingt die kleinsten, die vom Markt verschwunden sind, sondern gestandene PLM-Pioniere wie Sherpa, Metaphase oder Adra Systems (später MatrixOne).

Doch ich möchte trotzdem nochmal auf das Thema Interoperabilität zurückkommen, weil es der Grund dafür ist, dass der Ruf nach PLM-Offenheit so laut geworden ist, dass er sogar in Berlin zu hören ist. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vor kurzem die Schirmherrschaft für die CPO-Initiative des ProSTEP iViP-Vereins übernommen hat? Nicht weil sich die Bundesregierung besonders für das Thema PLM interessiert, sondern weil sie erkannt hat, dass Offenheit überall da wichtig ist, wo IT-Systeme miteinander kommunizieren müssen. Zum Beispiel auch für Industrie 4.0 und die intelligent vernetzte Fabrik.

Für PLM wird Interoperabilität deshalb immer wichtiger, weil die Anforderungen an das, was PLM-Systeme künftig leisten können müssen, mit der digitalen Transformation der Unternehmen dramatisch zunehmen. Kein Hersteller wird alle diese Anforderungen allein abdecken können. Monolithische PLM-Systeme haben deshalb ausgedient -die Zukunft von PLM geht in Richtung einer mehrschichtigen Architektur mit intelligent vernetzten Systemen und Informationen. Offenheit und die Unterstützung von Standards wie zum Beispiel OSLC sind dafür unabdingbar.

Aber wie Monica Schnitger ganz richtig konstatiert: Offenheit ist von außen sehr schwer zu erkennen, weil viele Hersteller ein falsches Spiel spielen. Sie geben vor offen zu sein, aber wenn z.B. ein Partner eine bessere Lösung für eine bestimmte Aufgabe bietet, werden die Schotten schnell wieder dichtgemacht. Oder er wird einfach übernommen, um sich das Know-how einzuverleiben. Auch dafür ist die junge PLM-Geschichte reich an Beispielen.

Das Schwierige an der Diskussion um die PLM-Offenheit ist, dass man sich erst mal darauf verständigen muss, was man darunter verstehen will. Oleg Shilovitsky unterscheidet allein drei Ebenen der Offenheit, nämlich Lizenzpolitik des Herstellers, Funktionsumfang der Programmierschnittstellen und Zugangsmöglichkeiten zur Datenbank, und sicher fallen einem noch ein paar Ebenen mehr ein.

Es ist das große Verdienst der CPO-Initiative, PLM-Hersteller und Anwendungsunternehmen erstmals auf ein gemeinsames Verständnis von Offenheit verpflichtet und bewertbare Interoperabilitätskriterien definiert zu haben, die über den PLM-Bereich hinaus Wirkung zeigen. Mit der Schirmherrschaft der Bundesregierung im Rücken will der ProSTEP iViP-Verein jetzt einen Schritt weitergehen und aufbauend auf diesen Kriterien ein Zertifizierungsprogramm erarbeiten. Es könnte zu einer wichtigen Orientierungshilfe für künftige Systementscheidungen werden.

 

 

20 Gedanken zu „PLM-Fauxpenness hat keine Zukunft“

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